München – Heuer gab es einen Brief. Gut zwei Wochen ist es her, als die Profis des FC Bayern sich über die Vereinshomepage an ihre Anhänger wandten. Ein entscheidender Satz der Mitteilung: „Leider zwingt uns Corona auch dazu, die Weihnachtsbesuche bei unseren Fanclubs in diesem Jahr auszusetzen.“ Weder mit den Fans noch intern durfte in diesem verrückten Jahr 2020 Weihnachten gefeiert werden. Dabei gehören große Partys zum Fest eigentlich zur Tradition des Rekordmeisters – und zwar seit knapp 100 Jahren.
Die Idee entstand bereits im Jahr 1925, als sich der Verein von den schweren Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg erholte. Im „Hotel Union“ wurde ein großer Saal reserviert, man ging optimistisch an die Sache und wurde nicht enttäuscht. Die Raum war bis auf den letzten Platz gefüllt, die Stimmung bestens. Und der Vergnügungsausschuss – damals ein offizielles Gremium bei den Bayern – konnte bereits fürs folgende Jahr in größeren Dimensionen denken. 1926 zogen die Bayern für die Weihnachtsfeier um in den „Bayerischen Hof“, wo es allerdings auch schnell eng wurde. Denn früher galt die Devise: Jeder war eingeladen, jeder sollte dabei sein.
Die Bayern-Familie ist in den vergangenen 95 Jahren rasant gewachsen, mehr als 300 000 Mitglieder hat der Triple-Sieger inzwischen. Sie alle einzuladen, zu bewirten und zu belustigen, hat irgendwann den Rahmen gesprengt. Immerhin rund 40 Jahre aber waren die rauschenden Weihnachtsfeiern der Bayern auch nach dem Zweiten Weltkrieg eine Institution in der Adventszeit. Bis 1957 fanden sie sogar an den Festtagen selbst statt, der 25. Dezember war ein beliebter Termin. Später wurden bereits im Laufe des Dezembers eingeladen – was für die Anwesenden besser war. Denn der Kater am nächsten Morgen gehörte einfach dazu.
Bis 1992 wurde im „Löwenbräukeller“ am Stiglmeierplatz gefeiert, und zwar jedes Jahr größer, bunter und lustiger. Als echter Evergreen blieb – schon in den zwanziger Jahren entstanden – die Tombola, knapp 10 000 Lose waren stets rasend schnell ausverkauft. Zu gewinnen gab es alles, was Mitglieder und Sponsoren gesammelt hatten: In den sechziger Jahren sogar einen Opel Kadett.
Stars, Sternchen, Politiker: Es kam freilich jeder, der in München Rang und Namen hatte. Und auch die Spieler waren mittendrin, wenn die eigentlich doch stille Nacht zur lauten Party wurde. Jede Feier hatte ihre eigene Geschichte zu erzählen, nicht jeder Gast allerdings konnte sich am nächsten Tag erinnern. Feucht-fröhlich ging es stets zu, und auch auf der Bühne dachte man in großen Dimensionen. Unter anderem Peter Alexander, Udo Jürgens, Reinhard Fendrich, Otto Waalkes und Nicki gaben sich die Ehre. Und einmal mussten auch die Profis von Udo Lattek ihr Gesangstalent unter Beweis stellen: Gemeinsam mit den Nymphenburger Kinderchor gab das Team 1984 Stücke wieder, das es auf der Schallplatte „Die schönste Zeit des Jahres – bekannte und neue Weihnachtslieder“ aufgenommen hatte. Alle waren froh, als die Darbietung vorüber war.
Nahbar waren die Profis damals schon, das haben sie sich beibehalten, als die großen Feiern abgeschafft und die Fanclub-Besuche eingeführt wurden. Die Fahrt zu den Anhängern gehört zum Advent seit den neunziger Jahren dazu. Außer es ist alles anders – so wie heuer.
Die Geschichte immerhin lehrt, dass die Bayern Feierbiester bleiben, egal, was passiert. 1970 fiel die Weihnachtsfeier aus, weil ein Pokalspiel dazwischen kam. 1971 aber war die Party rauschend wie eh und je.