Die weiße Bestie will zubeißen

von Redaktion

EUROPA-LEAGUE-FINALE Eintracht Frankfurt trifft in Sevilla auf Glasgow

VON INGO DURSTEWITZ

Sevilla – Der Himmel azurblau, ein paar harmlose Schleierwölkchen am Firmament, Sonne satt. Sevilla zeigt sich von seiner besten Seite, hat sich rausgeputzt für das große Fußballfest: Europa-League-Finale 2022, Mittwochabend (21 Uhr/RTL), Eintracht Frankfurt gegen Glasgow Rangers. Ein Abend für die Ewigkeit.

Am Dienstagnachmittag schwebte die Frankfurter Entourage mit einer Sondermaschine ein, um ihre große Mission zu einem guten Ende zu bringen: Noch ein Sieg trennt sie vom größten Erfolg seit einer gefühlten Ewigkeit (oder 42 Jahren). Es ist ein Spiel, in dem Helden geboren oder Dramen aufgeführt werden. „Es ist historisch“, wie Eintracht-Vorstandssprecher Axel Hellmann sagt. Die Spannung steigt parallel zur Hitze am Finalort. „Mit dem Einzug ins Finale haben wir uns den ersten Traum erfüllt“, sagt Torwart Kevin Trapp. Doch dabei soll es nicht bleiben. „Wir haben noch ein Spiel, um das Ganze zu vollenden.“

Die Eintracht ist in aller Munde, sie ist plötzlich Everybody’s Darling. Sogar Ex-Nationalmannschaftskapitän Philipp Lahm outete sich als heimlicher Sympathisant: „Alle in Deutschland drücken ihnen die Daumen. Sie haben eine unglaubliche Reise in der Europa League gemacht. Die Herzen der Deutschen fliegen ihnen zu.“

In bester Tradition hat sie daher nichts an ihrem gewohnten Ablauf geändert. Die Frankfurter werden also ganz in weiß spielen, weil sie in Spanien, wie Vorstandssprecher Axel Hellmann stolz erzählt, „Bestia Blanca“ genannt werden, die weiße Bestie, die nach Betis Sevilla auch den schillernden FC Barcelona aus dem Wettbewerb gekickt hat und die Weltmarke dabei auf Normalmaß hat schrumpfen lassen. Natürlich werden auch die Eintracht-Fans wieder eine weiße Mauer bilden. Trainer Oliver Glasner hat seine blaue Glückshose rechtzeitig aus der Reinigung geholt, auch ansonsten wird an der bewährten Vorbereitung nicht gerüttelt, was bedeutet, dass die Eintracht ihr Abschlusstraining am Dienstagvormittag noch im heimischen Stadtwald und nicht im Estadio Ramón Sánchez-Pizjuá abgehalten hat. Erst danach reiste der Tross nach Spanien. Das ist nicht im Sinne der Uefa, aber weil es ja keinen besseren Botschafter für den Wettbewerb gibt als die Hessen, stimmten die Gralshüter zähneknirschend zu.

An Trainer Oliver Glasner ist es, die Balance zu finden zwischen Spannung und Leichtigkeit, zwischen dem Laufenlassen und dem Zügeln, das Adrenalin will kanalisiert werden. Es geht, ganz pragmatisch, darum, dieses Spiel nicht zu überhöhen, obwohl es das größte Spiel der jüngeren Historie ist. „Wir hatten in den K.o.-Duellen immer eine gewisse Lockerheit auf dem Platz“, sagt der 47-jährige. „Das ist wichtig, um nicht zu verkrampfen.“ Er fordert von seinen Spielern nichts Außergewöhnliches, außer, dass sie bei sich bleiben sollen, die Partie einfach so angehen, wie sie es immer machen, gerade international. „Ich möchte Eintracht-Frankfurt-Fußball sehen“, fordert Glasner. „Wir müssen unseren Spirit auf den Platz bringen.“ Hat bisher immer geklappt.

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