Eine Münchnerin auf Goldmission

von Redaktion

Taekwondo-Ass Ela Aydin will sich bei der EM ihren Traum erfüllen

VON THOMAS JENSEN

München – Ela Aydin hüpft auf den Zehenspitzen auf und ab und schüttelt ihre Beine, die beiden Enden ihres schwarzen Gürtels baumeln am Oberschenkel herunter. Nach einem Signalruf der Schiedsrichterin betritt die gebürtige Münchnerin das erste Mal in ihrer Karriere die ganz große Taekwondo-Bühne und lässt ihrer Gegnerin, Maria Bucheli aus Ecuador, in den folgenden sechs Minuten keine Chance.

Am 17. Mai 2019 fand dieser Kampf statt, bei der Weltmeisterschaft in Manchester – man kann ihn auf Youtube noch anschauen. Mit einiger Vorfreude ist die Kampfsportlerin wegen der Europameisterschaften nun in die englische Industrie-Metropole zurückgekehrt. Auch weil die Erinnerungen an ihr erstes Großereignis im Erwachsenenbereich gut sind, dass sieht man, wenn sie lächelnd erzählt: „Es war eine richtig tolle Atmosphäre damals, in England wird unser Sport ziemlich groß aufgezogen.“

Um ähnlich schöne Momente zu erleben, muss Aydin ihren Ambitionen am Donnerstag gerecht werden, denn die sind inzwischen gestiegen. Bei ihrem WM-Debüt wurde sie Neunte – ein mehr als respektables Premieren-Ergebnis. Doch seitdem ist viel passiert: Bei der EM ist sie in ihrer Altersklasse bis 53 Kilogramm Favoritin, in der Weltrangliste liegt sie auf Rang drei, und ist damit die bestplatzierte Europäerin. Sie könnte das erste Gold bei einer Europameisterschaft für Deutschland seit 2010 holen.

Die Sportsoldatin weiß um ihre Chance: „Meine Gewichtsklasse ist zwar supergut besetzt, aber ich bin selbstbewusst.“ Das Vertrauen in sich nimmt sie vor allem aus den letzten Monaten: „Ich habe mich gut vorbereitet und noch nie so intensiv trainiert. Sowohl körperlich als auch taktisch bin ich besser geworden.“

Im Februar ist die 23-Jährige nach Nürnberg umgezogen, seitdem trainiert sie am Bundesstützpunkt. Auch wenn sie bei ihrem Heimatverein, dem TSV Dachau 1865, nach Möglichkeit immer noch gerne vorbeischaut. Seit sie fünf Jahre alt ist, betreibt sie dort den koreanischen Kampfsport. „Der Verein ist für mich wie eine zweite Familie geworden“, sagt Aydin und weiter: „deshalb bin ich auch immer dabeigeblieben und habe nichts anderes ausprobiert.“

Ihr Ehrgeiz zahlte sich aus, mehrfache deutsche Meisterin ist sie ohnehin und seit dem Jugendalter hat sie bei mehreren Europameisterschaften Medaillen abgeräumt, zuletzt Bronze 2021 in Sofia. Allerdings gab es auch Enttäuschungen: „Seit meiner ersten EM im U15-Bereich will ich Europameisterin werden und war jetzt schon oft knapp davor. Aber es hat eben immer nicht ganz gereicht“, berichtet sie. Diese Scharte kann sie nun auswetzen und dabei gleich zwei Fliegen mit ihren Kicks und Hieben schlagen: Denn die EM ist auch wichtig für die Qualifikation zu den Olympischen Spielen 2024.

Auch hier stand sie schon knapp davor, 2020 fehlte ihr nur ein Sieg im Qualifikationsturnier, um ein Ticket für Tokio zu lösen. Im entscheidenden Kampf in Sofia unterlag sie der Israelitin Abishag Semerberg, die bei Olympia später Dritte wurde. „Als ich gesehen habe, dass sie Bronze gewonnen hat, war das fast wie eine Bestätigung und ich habe mir gedacht: Hey, dass kannst du auch schaffen“, meint Aydin zu der damaligen Enttäuschung: „Das hat mir noch mal extra Motivation für diesen olympischen Zyklus gegeben.“

Im Optimalfall qualifiziert sich Aydin für die Spiele in Paris 2024 ohne an einem Qualifikationsturnier antreten zu müssen. In einer Rangliste, ähnlich der Weltrangliste, sammeln die Athleten in der Zeit zwischen den Spielen Punkte – die besten Fünf einer Altersklasse sind automatisch startberechtigt für Olympia. Aydin liegt aktuell auf diesem fünften Rang. Für Großereignisse wie die EM gibt es besonders viele Punkte und es sind nur noch wenige Events dieser Kragenweite bis Paris. Morgen kämpft die Münchnerin also für zwei Träume.

Artikel 9 von 11