Oberhof – Auf dem Karriere-Höhepunkt abzutreten ist ein Kunststück, das nur wenigen Sportlern gelingt – Johannes Ludwig hat es vollbracht. Drei Monate nachdem er im Eiskanal von Peking zum Einzel-Olympiasieg raste und damit seine komplizierte Karriere krönte, stellt der 36-Jährige den Schlitten in die Ecke. Und das gut acht Monate vor der Heim-WM in Oberhof.
„Ich kann nur meinen Hut vor ihm ziehen“, sagte Bundestrainer Norbert Loch über seinen zuletzt erfolgreichsten Schützling. „Er wäre sicher noch in der Verfassung, bei der Heim-WM erfolgreich zu sein. Aber natürlich respektiere ich die Entscheidung, zu diesem Zeitpunkt abzutreten. Ich hätte es nicht anders gemacht.“
In den frühen Jahren von Ludwigs Laufbahn hatte es nicht unbedingt nach diesem Happy End ausgesehen. Ob David Möller oder Felix Loch, der Sohn des Bundestrainers – immer war ein Teamkollege schneller. „Er hatte eine Karriere mit vielen Rückschlägen“, weiß auch Norbert Loch. Doch im vergangenen Winter trat Ludwig endgültig aus dem Schatten der anderen heraus: Dem Gewinn des Gesamtweltcups ließ er Olympia-Gold im Einzel sowie nach 2018 zum zweiten Mal Gold mit der Mannschaft folgen.
Ein solcher Mann hinterlässt zwangsläufig eine Lücke im Team. Und es könnten in naher Zukunft weitere Kollegen Ludwigs Beispiel folgen. Der dreimalige Olympiasieger Felix Loch ist 32, Seriensiegerin Natalie Geisenberger (sechs olympische Goldmedaillen) 34 und auch die erfolgreichen Doppelsitzer-Paare Tobias Wendl und Tobias Arlt sowie Toni Eggert und Sascha Benecken haben die 30 deutlich überschritten. Muss einem deshalb nun bange werden um den fast schon unverschämt erfolgreichen deutschen Rennrodel-Sport?
„Nein“, sagt Bundestrainer Norbert Loch: „Ich habe keine Angst vor einer Rücktrittswelle.“ sid