„Wir könnten das Turnier zehnfach ausverkaufen“

von Redaktion

FIFA-Sicherheitschef Helmut Spahn über die umstrittene WM in Katar, eine hohe Ticketnachfrage und Partyzonen

Frankfurt – In zwei Monaten beginnt die umstrittene Fußball-WM in Katar. FIFA-Sicherheitschef Helmut Spahn, 61, setzt sich mit der Kritik auseinander und erklärt, was Fans vor Ort erwartet.

Herr Spahn, ist Katar 2022 die schwierigste Aufgabe?

Ich erinnere mich noch, dass Uli Hoeneß vor Südafrika 2010 gewarnt hat. Er glaubte, das sei viel zu gefährlich. In Brasilien 2014 gab es Streiks von Polizei und Sicherheitspersonal. In Russland 2018 gab es Warnungen vor Terroranschlägen. All diese Problematiken haben wir in Katar nicht. Es gibt nur eine Landgrenze, die nach Saudi-Arabien, und ein weiteres Einfallstor: den Flughafen.

Können in Katar nur diejenigen ins Stadion, die auf der Eintrittskarte namentlich ausgewiesen sind?

Es läuft ähnlich wie in Russland vor fünf Jahren. Dort gab es die Fan-ID, die als Visum galt. In Katar heißt sie Hayya-Card, die man vorher digital herunterlädt und ausfüllt. Um nach Katar einzureisen, benötigt man eine Hayya-Card, einen Flug zurück, ein Ticket und einen Nachweis zur Übernachtung. Dann: freie Fahrt!

Haben Sie Furcht, dass es zu größeren Pannen kommt?

Meine Kernaussage ist immer: „Wir organisieren hier kein Sicherheitsevent, sondern ein Fußballturnier.“ Ich weiß aus Erfahrung: Innenministerium, Polizei und Militär haben immer die Sicherheitsbrille auf. Davon muss man ein Stück wegkommen. Ein Tunnelblick ist wenig hilfreich. Wir müssen es schaffen, ein Fußballfest zu organisieren.

Wird die Polizei in Katar geschult, um mit Fans umzugehen?

Ja. Die katarischen Behörden und die Polizei sind seit 2010 bei allen großen Fußball-Veranstaltungen und auch bei Olympischen Spielen dabei und es gab und gibt seit Jahren umfängliche Ausbildungsmaßnahmen.

Sie kennen sich in Doha bestens aus. Können Sie Fans empfehlen, die WM vor Ort zu erleben?

Wir haben 24 der 32 Teams in einem Radius von zehn Kilometern untergebracht; fast alle auf einem Fleck. Da kann eine Art Olympic Spirit entstehen. Das gab es bei einer WM noch nie. Das ist eine Riesenchance – wir müssen sie gemeinsam nutzen.

Wird es eine Fanmeile geben?

Ja, an der Waterfront können alle Fans aus allen Ländern direkt zusammen sein. Eine tolle Location mit Blick auf die Skyline. Auch in der Nähe von einigen Stadien gibt es Fanbereiche, um dort Entertainment zu bieten. Auch denjenigen, die für das Spiel an diesem Tag kein Ticket haben. Es soll eine Party der Fußballfans der Welt werden.

Wie sieht es mit dem Alkohol aus?

Es wird bei der WM nicht an jeder Ecke Alkohol zu kaufen geben. Das finde ich auch gar nicht schlecht. Wer Alkohol in Katar trinken möchte, kann das tun: privat zu Hause, nachdem man sich den Alkohol im Liquor Shop gekauft hat, in Sportbars oder Hotels. Während der WM wird auf den Fanmeilen in bestimmten Zeitfenstern Alkohol angeboten werden. Es wird auch an den Stadien zwischen äußerem und innerem Sicherheitsring Bier geben, nicht aber auf den Tribünen. Das war bei vergangenen Weltmeisterschaften ganz ähnlich.

Viele Fans hierzulande wollen die WM boykottieren, weil sie keine WM im Winter wollen, weil sie die Menschenrechtssituation in Katar stört, weil sie meinen, das Emirat habe die WM nur bekommen, weil korrupte Funktionäre mit im Spiel gewesen sein sollen. Können Sie die Kritik nachvollziehen?

Es ist das gute Recht eines jeden, sich die Spiele nicht anzugucken. Aber ich stelle auch fest: Wir haben eine riesige Ticketanfrage. Wir könnten das Turnier zehnfach ausverkaufen. Es gibt also durchaus Leute, die da hinfliegen.

Wird die WM in Katar bei uns zu kritisch gesehen?

Ich sehe jedenfalls eine Riesenchance darin, das Vehikel Fußball-WM zu nutzen, um Verbesserungen herbeizuführen. Wir sollten auch die Kultur des Gastgeberlandes respektieren, und Veränderungen brauchen Zeit. Man kann diese nicht anordnen, sondern das muss sich entwickeln, um nachhaltig zu sein.

Was wäre Ihr Wunsch als Schlagzeile nach der WM?

Die Welt zu Gast bei Freunden 2.0.

Interview: Jan Christian Müller

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