„Azubi“-Tage an der Säbener Straße

Die Unruhe rund um Bayern-Coach Nagelsmann ist groß – Babbel: „Er muss schnell lernen“
München – Zeit für Urlaub ist natürlich nicht, und Stimmung sowieso nicht. Auch wenn Julian Nagelsmann in den vergangenen Tagen nicht auf dem Trainingsplatz an der Säbener Straße zu sehen war, hat er gearbeitet. Die Anleitungen auf dem Rasen hat der Trainer des FC Bayern in Abwesenheit von 18 Nationalspielern gerne an Fitness-Chef Holger Broich abgegeben, in seinem Büro aber war er regelmäßig. Zu überlegen, analysieren und hinterfragen gab und gibt es genug in der aktuellen Länderspielpause. Seine Gedanken inmitten der Krise gelten der Mannschaft – aber auch sich selbst.
Über „alles“ grüble er, hatte der Coach nach dem 0:1 gegen Augsburg ja angekündigt und auch seine Person nicht ausgenommen. Während die Bayern-Bosse um Herbert Hainer und Oliver Kahn dem 35-Jährigen zeitnah zur Pleite im Schwabenland bewusst den Rücken gestärkt haben und offiziell die Abschlussschwäche der Offensiv-Reihe als Hauptgrund für die Ergebnis-Misere ausgemacht haben, wird intern freilich detaillierter nach dem „Warum?“ geforscht. Dass eine Trainerdiskussion im Moment noch nicht hochkocht, ändert zudem nichts an der Unruhe im Umfeld. Experten und solche, die es sein wollen, äußern sich dieser Tage, auf einem Pay-TV-Sender gab es gar eine Sondersendung zur „Krise an der Säbener Straße“. Nicht selten steht Nagelsmann selbst im Fokus – wie in der pikanten Aussage, die gestern von Markus Babbel die Runde machte. Der Ex-Bayer bezeichnet Nagelsmann als „Bayern-Azubi“.
Streng genommen ist er das in seinem zweiten Vertragsjahr. Babbel allerdings hatte bei seinen Worten nicht unbedingt Alter und Erfahrung des Coaches im Kopf, sondern den einen oder anderen Auftritt der vergangenen Wochen. „Nagelsmann muss schnell lernen, das muss ihm bewusst sein“, führte der 50-Jährige aus. Er müsse sich jetzt überlegen: „Bleibe ich, wie ich bin – oder versuche ich, dazuzulernen.“
Hört man sich an der Säbener Straße – und auch an früheren Stationen – um, glauben die wenigsten daran, dass Nagelsmann an seiner juvenilen, direkten, unbekümmerten und bisweilen forschen Art etwas ändern wird. Dass er sagt, was er denkt, tut, was er für richtig hält, hat den Weg des einstigen U19-Bundesliga-Spielers entscheidend mitgeprägt. Was in guten Zeiten als sympathisches Markenzeichen gilt, kann in Krisen allerdings unangebracht wirken. Babbel sagt: „Julian muss versuchen, ruhiger und souveräner zu werden, damit die Spieler merken, dass der Trainer draußen alles im Griff hat.“
Tatsächlich gibt es aus den vergangenen Wochen ein paar Szenen und Gegebenheiten, die auch intern genau registriert wurden. Die modisch manchmal vielleicht zu bewussten Auftritte an der Seitenlinie oder mit neuer Partnerin auf der Krisen-Wiesn sind das eine. Aber auch das in einer Gefühlslage zwischen Wut, Ratlosigkeit und Eingeschnapptsein gegebene Interview nach der Pleite in Augsburg gehörte dazu. In der Kabine waren ohnehin schon die Statements nach den drei Unentschieden zuvor Thema, in denen Nagelsmann eher die Mannschaft als sich selbst hinterfragt hatte. Stichworte: Energielevel, Abschlussschwäche, individuelle Fehler. Und eben nicht: Probleme im System ohne Stürmer, zu viel Rotation oder auch ab und an fragwürdige Wechsel.
Babbel dürfte recht haben, wenn er sagt: „Die Spieler schauen genau hin, ob Nagelsmann sich traut, die Dinge anzusprechen – und wie er sie anspricht.“ Erste Gespräche mit dem Mannschaftsrat gab es keine 16 Stunden nach Abpfiff in Augsburg, noch bevor es zum unwillkommenen Wiesn-Termin ging. Fortsetzung folgt kommenden Mittwoch, wenn alle zurück sind.
Um den richtigen Ton zu finden, hatte Nagelsmann dann neun Tage Zeit – und Ruhe im Büro.