Vergangene Woche ist dem neuen Chef dann doch ein bisschen unwohl geworden. Zumindest hat sich Vital Heynen so seine Gedanken gemacht, ob sieben Wochen im Niemandsland der Sportschule Kienbaum für ihn und seine deutschen Volleyballerinnen nicht doch ein bisschen zu viel gewesen sein könnten. Nun gut, spätestens am Sonntagabend wird der Belgier wohl schon ein bisschen mehr wissen. Gegen Bulgarien haben seine Schützlinge dann den ersten WM-Ernstfall vor sich. Es ist ein Schlüsselspiel, das Duell mit den Osteuropäerinnen wird erste Fingerzeige geben, wie weit es im Kreis der Weltbesten gehen könnte.
Die Ambitionen sind groß. Klar ist: Der Deutsche Volleyball Verband (DVV) will mit seinen Hallenteams raus aus der Bedeutungslosigkeit der letzten Jahre. Will vor allem zurück auf die große Bühne Olympia. Doch: Bei den Frauen war dem DVV das letztmals 2004 in Athen geglückt. Womit sich die „Schmetterlinge“ nahtlos einreihten in die wachsende Tristesse der deutschen Mannschaftssportarten unter den fünf Ringen. Dass Leistungsträgerinnen wie Louisa Lippmann oder Denise Imoudu abwanderten, passt ins Bild.
Für die Sportart ist das eine gefährliche Situation. Es ist schließlich kein Geheimnis, dass Olympia für die Mittelausstattung einer Sportart maßgeblich ist. Im letzten Jahrzehnt fungierte der Beachvolleyball mit den Goldmedaillen in London und Rio de Janeiro als Lebensversicherung – doch darauf wird man nicht dauerhaft bauen können. Immerhin: Die Gelegenheit scheint günstig. Der Weltverband FIVB regelte in der Halle den Zugang zu den Spielen neu. Führte der Weg nach Olympia bislang nur über Titel und die schweren Qualifikationsturniere, so ist nun auch die Weltrangliste ein Kriterium.
Und der DVV hat in diesem Sommer einiges in Bewegung gesetzt, um die Gunst der Stunde zu nutzen. In Heynen holte man einen der profiliertesten Projektleiter der Szene an Bord. Und der selbstbewusste Belgier, mit dem der Verband immerhin WM-Bronze der Männer von 2014 verbindet, bekam nahezu perfekte Bedingungen, um in intensiver Kleinarbeit seine Ideen dem neuen Team nahezubringen. Die letzten Eindrücke waren verheißungsvoll, beim Härtetest gegen Olympia-Finalist Brasilien gab es ein 3:2. Bei der WM soll es nun ähnlich laufen – am besten schon gegen Bulgarien.
patrick.reichelt@ovb.net