Faeser setzt starkes Zeichen

Innenministerin trägt verbotene Binde – FIFA-Einschüchterung?

VON KLAUS HEYDENREICH

Doha – Binde oder nicht Binde – das ist hier die Frage. Angelehnt ans Shakespeares Hamlet, scheint es bei der WM in der Diskussion um die One-Love-Binde inzwischen auch um die Frage „Sein oder Nichtsein“ zu gehen. Mindestens.

Selbst Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Innenministerin Nancy Faeser äußerten sich – staatstragender geht’s kaum. Faeser übte dabei deutliche Kritik an den katarischen Behörden. Immerhin war die SPD-Politikerin erst im November in den Wüstenstaat gereist, um über die Situation von LGBTQ-Personen in dem Emirat zu sprechen. Im Anschluss erklärte sie, dass die Regierung Katars „erstmals“ eine „Sicherheitsgarantie“ für alle WM-Besucher abgegeben habe. Und nun? „Das ist nicht mein Verständnis der Sicherheitsgarantie, die mir der Innenminister hier gegeben hat. Das enttäuscht mich doch sehr“, schimpfte Faeser. Die bei ihrem Kurzbesuch übrigens auch kräftig Farbe zeigte. Sie führte im betont pinken Anzug Gespräche mit dem deutschen Fan, der Schwierigkeiten mit der Polizei bekommen hatte. Und bei der Partie der DFB-Auswahl gegen Japan trug sie vor den Augen von FIFA-Chef Gianni Infantino die One-Love-Binde, deren Verbot durch den Weltverband sie weiterhin juristisch überprüft haben will. Es sei nicht in Ordnung, wie die Verbände unter Druck gesetzt würden. Ihr sei es „völlig unverständlich“, dass die Fifa nicht wolle, dass offen für Toleranz und gegen Diskriminierung eingetreten werde, sagte Faeser.

Habeck wiederum hatte den DFB-Kickern vor dem Japan-Spiel genau dasselbe empfohlen: „Ich nehme an, jetzt muss man die Binde tragen. Ich würde es vielleicht darauf ankommen lassen.“ Er sei zwar nicht der Medienberater des DFB, sagte er bei ZDF-Talker Markus Lanz, „aber es bietet sich an, oder?“, es handele sich schließlich um einen „moderaten Protest“, und spätestens seit dieser WM gebe es auch keinen unpolitischen Sport mehr.

So weit, so Habeck – die DFB-Spieler entschieden sich (im Gegensatz zu Nancy Faeser) anders: Beim Mannschaftsfoto hielten sie sich den Mund zu. Ein Hinweis darauf, wie die FIFA Kritiker mundtot machen will – was der Weltverband auch prompt bewies: Die Szene war in den zentral gesteuerten TV-Übertragungen nur aus der Ferne und von der Seite zu sehen, der Weltöffentlichkeit wurde die Aktion vom Verband verheimlicht.

Für Aufsehen sorgte die Sache trotzdem. Nicht zuletzt auch bei der internationalen Presse. „Keine Regenbogenbinde für den deutschen Kapitän, aber eine starke Geste gemeinsam mit seinen Mitspielern“, schrieb die italienische „Gazetta“. Der Schweizer „Blick“ sah es ähnlich: „Ganz nach dem Motto: Unsere Meinung wird zensiert. Ein starkes Zeichen.“

DFB-Direktor Oliver Bierhoff warb derweil um mehr Verständnis aus der Heimat für die Sportler. „Letztlich bekommen die Spieler immer wieder Kritik ab. Das tut natürlich an der einen oder anderen Stelle weh, weil man denkt: Wann ist es genug und wann kann ich mich auf die WM konzentrieren“, sagte Bierhoff in der ARD. Die vielen kritischen Reaktionen aus Deutschland würden die Spieler sehr beschäftigen, berichtete der 54-Jährige.

Auch die Chefs der WM–Mission aus Dänemark (bekanntlich die Heimat von Prinz Hamlet) greifen weiterhin die FIFA an und berichteten von den Einschüchterungsversuchen in Sachen One-Love-Kapitänsbinde. Direktor Jakob Jensen sagte: „Die FIFA kam ins englische Team-Hotel und machte deutlich, dass es Sanktionen geben würde, wenn jemand die Binde trägt.“

Montag, 4. Dezember 2023
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