München – Das Urteil von Mario Basler ist relativ eindeutig, missverstehen kann man es nicht. „Das sind Aussagen, die man auch im Kindergarten loswerden kann. Das ist weder Fisch noch Fleisch“, sagt der ehemalige Bayern-Spieler über den Auftritt, den Oliver Kahn nach dem 1:3 des FC Bayern in Mainz hingelegt hat. Der Podcast, den der 54-Jährige produziert, trägt den Namen „Basler ballert“, es ist also nur logisch, dass seine Worte polarisieren sollen. Sie zeigen aber dennoch eine Sicht der Dinge auf, die man rund um die Säbener Straße seit Samstagnachmittag nicht nur einmal gehört hat. Manche sind nach wie vor bei Basler, der sagt: „Du musst ein Anführer sein“ – und Kahn ist genau das nicht.
Da schwingen durchaus Eindrücke aus den letzten Wochen, Monaten, ja, Jahren mit, und die Bewertung ist – bleibt man bei Kahns Worten in Mainz – nicht ganz fair. Denn der 53-Jährige hat dort erstmals seit Langem so emotional, gereizt und deutlich gewirkt wie einst als Hüter des Bayern-Tors. Dass er die Verantwortung auf den Platz abgab, wo sich „elf Spieler den Hintern für diesen Club aufreißen“ sollten, hallt in die Trainingswoche nach, die am heutigen Mittwoch startet. Verbunden mit der Frage, wem es an den Kragen geht – kurz- wie langfristig.
Die Liste der akuten Patienten ist lang, vor allem nach dem kollektiven Total-Ausfall, der zur dritten Pleite unter Thomas Tuchel geführt hat. Trotzdem gibt es Spieler, die genauer beäugt werden als andere. Als Paradebeispiel gilt da Leon Goretzka, der in dieser Saison nicht in Tritt kommt. Er selbst und sein Umfeld sehen den 28-Jährigen deutlich positiver, als seine unterdurchschnittlichen Werte suggerieren. Wie angespannt die Lage im Mittelfeld ist, zeigte sich zuletzt auch neben dem Platz.
Raphael Brinkert, der Goretzka in PR-Fragen berät, twitterte vor wenigen Tagen zwei Aufstellungen aus dem gewonnenen Champions-League-Turnier 2020. Seine Frage dazu: „Fällt Euch etwas auf?“ Die wahrscheinlichste Antwort: dass Joshua Kimmich rechts hinten spielte – und nicht auf der Sechs. Die Geister scheiden sich auch an Kimmichs Auftritten.
Was man in dem Zusammenhang nicht außer Acht lassen sollte: Kimmichs Werte sind auf der Sechs in dieser Saison deutlich besser als die von Goretzka. Das belegen Statistiken. Dass im zentralen Mittelfeld Handlungsbedarf besteht, haben die Bosse vernommen. Ein spielstarker Sechser ist für die neue Saison auf der Liste. Zusätzlich zu Konrad Laimer, der seinen Vertrag unterschrieben hat, aber eher über den Kampf kommt.
Priorität hat dennoch die im Vorjahr aufgeschobene Stürmersuche. Und hier sind neben den Kandidaten Harry Kane, Victor Osimhen und Randal Kolo Muani vor allem Serge Gnabry und Sadio Mané im Fokus. Während der Vertrag mit Leroy Sané über 2025 hinaus verlängert werden soll, steht das Duo genau auf dem Prüfstand. Mané hinkt den Star-Ansprüchen weit hinterher, Gnabry sowieso. Verkäufe würden Geld in die Kasse spülen, in die man für einen Königstransfer wohl 100 Mio. Euro oder mehr entnehmen müsste. Tuchel präferiert Kane oder Osimhen, Uli Hoeneß ist laut Sky Fan von Kolo Muani, zu dem es aber laut Eintrachts Markus Krösche noch keinen Kontakt gab.
Fraglich ist auch, wie es mit Yann Sommer weitergeht, der nach der Rückkehr von Manuel Neuer nur als Nummer eins bleiben will. Sicher gehen wird Daley Blind, die Zukunft von Joao Cancelo ist ungewiss. Ryan Gravenberch flirtet mit Liverpool, während Tuchel Chelseas Mason Mount (offensives Mittelfeld) beobachten soll. Es wird viel passieren, das ist allen klar. Dieser Kader soll, so sagte der technische Direktor Marco Neppe zuletzt, „magnetisch wirken“. Im Moment aber ist er – um bei Basler zu bleiben – weder Fisch noch Fleisch.