München – Immer wieder musste sich Thomas Tuchel (49) am Samstag an der Seitenlinie ärgern – mehrmals wegen Leon Goretzka (28). In den ersten 20 Minuten gegen Leipzig kassierte der Mittelfeldspieler, der seit Monaten im Formtief steckt, wegen Unkonzentriertheiten gleich dreimal lautstark Anpfiff des Bayern-Trainers. Auch die zu offensive Positionierung Goretzkas missfiel dem detailversessenen Fußballlehrer.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Goretzka war am Samstagabend nicht der einzige Spieler, der Tuchel zur Weißglut trieb. Beispielsweise rüffelte er auch Außenverteidiger Joao Cancelo (29). Was schon während des Spiels offensichtlich war, untermauerte Tuchel in den Interviews nach der 1:3-Pleite: Der Coach verzweifelt langsam an seinen Stars. „Ich kann erklären, was gefehlt hat“, sagte Tuchel auf der Pressekonferenz am Samstag. Der Trainer hörte überhaupt nicht auf, die Mängelliste nach einer auch nur ordentlichen ersten halben Stunde aufzuzählen: „Krasse, krasse“ technische Fehler, Positionierung, Entscheidungen, Spielgeschwindigkeit Laufverhalten. „Wir haben aufgehört, uns gegenseitig zu helfen. Die Menge an einfachen, unerzwungenen Fehlern ist viel zu hoch“, schimpfte Tuchel. „Ich kann das auch beweisen. Aber ich weiß nicht, woher das kam. Es kam aus dem Nichts.“
Beim unerklärlichen Leistungsabfall seiner Stars verspürte er sogar „ein bisschen das Gefühl“ von Ohnmacht. Nach vielen kleinen richten Schritten der Mannschaft sei es für ihn unerklärlich, „wieso wir uns dann entscheiden, in die komplett andere Richtung mit Siebenmeilenstiefeln zu gehen“, so Tuchel, der sich richtig in Rage redete.
„Wenn wir aufhören, nach unseren Prinzipien zu spielen, dann wird es ein Würfelspiel. Dann gewinnen wir halt oder verlieren halt“, sagte Tuchel. „Wenn alles nur noch halbherzig, zögerlich und schlampig ist, dann sieht es so aus, wie es heute aussah.“
Den Treffer zum zwischenzeitlichen 1:1 kommentierte er bei Sky bildreich. „Du musst dein Verhalten anpassen. Wenn du in New York über die Straße gehst, verhältst du dich anders, als wenn du in Bogenhausen über die Straße gehst. Wenn du ohne zu gucken gehst, wirst du überfahren.“ Die Nerven liegen blank. Der frühere Trainer des FC Chelsea kündigte eine radikale Analyse an: „Wir werden alles auf den Kopf stellen.“
New York oder Bogenhausen? Tuchel erklärt den Unterschied