VERWALTUNGSRAT

Zementierte Machtverhältnisse

von Redaktion

Pro1860 schafft erneut „alle Neune“ – Ismaik kämpferisch

Kampfansage am Tag danach: Versammlungs-Debütant Hasan Ismaik. © Sampics (3) / Stefan Matzke

Warten auf das Ende der Auszählung: Das „Bündnis Zukunft“-Trio Klaus Ruhdorfer, Martin Gräfer und Klaus Lutz (v.l.). © Sampics

Abklatschen kurz vor der Geisterstunde: Präsident Robert Reisinger gratuliert den gewählten Verwaltungsräten. Von links: Sascha Königsberg, Christian Dierl, Martin Obermüller, Markus Drees, Robert von Bennigsen, Beatrix Zurek und Sebastian Seeböck.

München – Zum Schluss war es auch ein Kampf gegen die Uhr. „Um Mitternacht müssen wir raus“, hatte Präsident Robert Reisinger gegen 20 Uhr in die Menge gerufen. Das Zenith, die Versammlungshalle der Löwen, war zu diesem Zeitpunkt noch gut besucht. 2500 Mitglieder waren in der Spitze da – und die mussten Ausdauer haben.

Um 9 Uhr in der Früh hatte die für Sonntag gebuchte Halle ihre Pforten geöffnet, zehn Stunden später wurde endlich final zur Urne gebeten, zum brisantesten Tagesordnungspunkt, der Wahl des Verwaltungsrats. Um 20.45 Uhr hieß es, dass die Auszählung wohl eine Stunde Zeit in Anspruch nehmen würde. Dann wurden zwei daraus, irgendwann war sogar die Übertragung des EM-Abendspiels zu Ende, und erst um 23.22 Uhr, 38 Minuten vor der Geisterstunde, erklärte Reisinger die längste Sitzung der Löwen-Historie für beendet.

Ergebnis nach 13-stündiger Sitzung: Alles bleibt beim Alten. Wie schon 2018 hat sich Pro1860 die Macht nicht entreißen lassen, sondern brachte alle neun empfohlenen Kandidaten in den Verwaltungsrat. Das „Bündnis Zukunft 1860“ hatte, wie damals das „Team Profifußball“, zu wenig mobilisiert. Zwischendurch, als die hinten im Saal platzierten Wahlboxen ausgezählt wurden, machte sich Hoffnung breit bei Martin Gräfer und Co. – zu Unrecht, denn das Endergebnis, um kurz nach 23 Uhr verkündet, war dann doch deutlich.

Die meisten Stimmen erhielt Novize Christian Dierl (1387) von den „Unternehmern für Sechzig“, die wenigsten hatten Mit-Neuling Martin Obermüller (1192) und Gerhard Mayer (1170), doch selbst die schafften es, den besten Bündnis-Kandidaten (Gräfer, 873) zu deklassieren. Fast 300 Stimmen fehlten dem Vorstand von Hauptsponsor „Die Bayerische“ zum Sprung ins wichtigste e.V.-Gremium. Ein Pulk von Pro1860-Unterstützern, der bis zum Ende ausgeharrt hatte, stimmte das „Scheich“-Lied an. Süßes Triumphgeheul, denn auch Investor Hasan Ismaik hatte sich ja im Vorfeld der Wahl dafür stark gemacht, neuen Kräften das Vertrauen zu schenken. Und vor allem: Kräften, die ihn selbst mitbestimmen lassen und dafür Erzfeind Reisinger das Vertrauen entziehen.

Zwei Fragen ergaben sich aus dem Erdrutschsieg von Pro1860. Erstens: Nimmt Ismaik das Ergebnis so demokratisch an, wie er es in einer Videobotschaft aus der Halle angekündigt hatte? Zweitens: Hat das Bündnis noch Zukunft nach einer 0:9-Klatsche, die vor allem dem engagierten Trio an der Spitze wehtat? IHK-Präsident Klaus Lutz will sich im Gardasee-Urlaub Gedanken machen, wie er mit der Niederlage umgeht. Klaus Ruhdorfer, der schon 2018 mit dem „Team Profifußball“ untergangen war, dürfte sich ins Privatleben zurückziehen. Im Vorfeld der Wahl hatte Ruhdorfer von einer „letzten Chance“ gesprochen, Nicht-Ideologen in den Verwaltungsrat zu bekommen. In den nächsten zehn Jahren, ahnt er, werde es schwer sein, noch mal Leute zu finden, die sich trauen, der Pro1860-Macht so etwas wie eine Opposition entgegen zu stellen.

Hat das „Bündnis“ noch eine Zukunft?

Während das Bündnis den Siegern artig gratulierte, gab es von Ismaik am frühen Montagnachmittag die nächste Kampfansage. „Heute können sie feiern“, schrieb der Investor bei Facebook, „morgen werden sie sich fragen: Hat unser Verein vielleicht die Chance verpasst, 1860 mit kompetenteren Persönlichkeiten in eine bessere Zukunft zu führen? Ich meine ja!“ Ideologen bleiben Ideologen, ätzte Ismaik, kündigte an, ab sofort alle Gewählten „an ihren Worten messen“ zu lassen und blickte nach vorne: „Wer glaubt, dass ich nach dem gestrigen Abend aufgeben werde, irrt gewaltig. Die nächsten Wahlen stehen vor der Tür. Und wir werden nicht aufhören, für den Erfolg unserer Löwen zu kämpfen.“ ULI KELLNER

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