Der fliegende Isaac: Bonga war gegen Brasilien einer der stärksten Deutschen – nicht nur seiner 15 Punkte wegen.
Wembanyama (li.) & Co. beim Zittersieg gegen Japan.
Groß gegen klein: Frankreichs Victor Wembanyama (2,22 Meter) gegen den Japaner Yuki Togashi (1,67 Meter). © Instagram, Conroy/dpa, Al-doumy/AFP
Das Stade Pierre Mauroy von Lille leerte sich schon langsam, da dachten die deutschen Basketballer schon einmal kurz an Paris. Am Wochenende, das ist nach dem 86:73 über Brasilien klar, werden die Weltmeister ins Herzland von Olympia umziehen. Und das ist eine Aussicht, die auch die Besten nicht kalt lässt. Zum Beispiel Franz Wagner, Topspieler von den Orlando Magic. „Wir haben das Dorf ja schon bei der Eröffnung gesehen“, sagte er, „das wird schon etwas anderes. Ich freue mich riesig drauf.“
Die Gefahr, den Fokus zu verlieren, besteht eher nicht. Man hat Ziele und das Turnier schwenkt langsam in die entscheidende Phase ein. Am Freitag geht es noch einmal in Lille gegen Jungstar Victor „Alien“ Wembanyama und Gastgeber Frankreich, der gegen Japan beim 94:90 n.V. nur knapp einer Blamage entging. Ein Sieg würde die Aussichten für die K.o.-Phase deutlich verbessern. Denn die drei Gruppensieger sind bei der Auslosung für das Viertelfinale gesetzt. Man würde also dem NBA-Allstar-Team der USA und wohl auch den nicht viel weniger all-starigen Kanadiern erst einmal aus dem Weg gehen.
Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass Bundestrainer Gordon Herbert, der das Gefühl eines Olympiaturniers auch aus der Spielerperspektive kennt (1984), auch gegen die Brasilianer seine Rotation kurz und die Intensität hochgehalten hat. Bitter vor allem für Neu-Bayer Oscar da Silva, der vor den Augen seines Vaters Valdemar und Bruder Tristan auch gegen sein zweites Heimatland bis zur Schlusssirene ohne Einsatz bleibt.
So ist sie, die Herangehensweise des scheidenden Nationalcoachs. Wobei er diese Rollen traditionell schon lange vor dem Start eines Turniers klar kommuniziert. Der ebenfalls noch ohne Einsatz gebliebene Münchner Niels Giffey kennt das ja schon von der Weltmeisterschaft, wo er erst durch die Verletzung von Franz Wagner zu einigen Extra-Einsatzminuten kam.
Herbert will seine erste Garde in Medaillenform bringen. Und das scheint ihm ja auch ganz zu gelingen. Von den NBA-Stars haderte einzig Franz Wagner gegen die Brasilianer noch ein bisschen mit seinem Distanzwurf. Auch der Münchner WM-Scharfschütze Andi Obst hat noch nicht ganz die traumwandlerische Sicherheit der Tage von Manila. Doch damit können die Deutschen ganz gut leben.
Weil zuverlässig andere in die Bresche springen. So wie Isaac Bonga – der Bald-Belgrader zeigte auch gegen die Brasilianer auf beiden Seiten des Feldes seine Klasse. Auch seine Vielseitigkeit wird gefragt sein, wenn es nun gegen die Großen des Turniers geht. So wie auch die von Nick Weiler-Babb. Der vierte Bayern-Profi im Kader, der im Vorjahr verletzungsbedingt fehlte, bringt dem deutschen Team vor allem in der Defensive noch eine Extra-Qualität, die man bei der Weltmeisterschaft so noch nicht hatte. Und, ja, auch Olympia-Gefühl, das man im Exil in Lille noch nicht hatte, darf man mitnehmen.
Herbert selbst, hatte einst in Los Angeles auch bei Leichtathletik, Schwimmen und Volleyball den „olympic spirit“ getankt. Und den legt er nun auch seinen Profis nahe. Er selbst wird wohl auch in Paris nur mäßig in die Spiele eintauchen. Denn: „Dafür bin ich jetzt zu alt.“
PATRICK REICHELT