„Gänsehaut!“: DSV-Direktor Christian Hansmann. © dpa
Der Deutsche Schwimm-Verband erlebt bei den Olympischen Spielen erfolgreiche Tage. Doch Probleme gibt es trotzdem noch. Leistungssport-Direktor Christian Hansmann spricht mit unserer Zeitung über den Weg vom Chaos-Verband zum Gold-Lieferant, die Suche nach einem Chefbundestrainer und zukünftige Medaillenhoffnungen.
Herr Hansmann, wie gut hat die Goldmedaille von Lukas Märtens getan?
Das war Gänsehaut pur. Bei der Siegerehrung hatten wir alle Tränen in den Augen.
Die deutschen Schwimmer wirken auch in der Breite stark. Es sieht nach einem Aufschwung aus. Woher kommt das?
Seit Tokio ist eine Trendumkehr zu erkennen. Die Arbeit der letzten Jahre fruchtet, allen voran natürlich am Bundesstützpunkt Magdeburg über die Mittel- und Langstrecken mit Florian Wellbrock, Oliver Klemet und Isabel Gose. Aber auch auf den kürzeren Distanzen ist die Entwicklung positiv. Mit Angelina Köhler und Ole Braunschweig in Berlin, mit Melvin Imoudu in Potsdam, Lucas Matzerath in Bochum oder Josha Salchow in Heidelberg gibt es einige Athleten, die sich jetzt in der Weltspitze etabliert haben. Es sind junge Athleten, Richtung L.A. wollen wir uns noch weiter verbessern.
Ist Deutschland wieder eine Schwimmnation? Oder auf dem Weg dahin?
In Paris haben wir jetzt schon 14 Finalplätze erreicht, in Tokio waren es dagegen acht. Wir sind noch nicht so weit, dass wir zu den Topnationen gehören. Deshalb freuen wir uns auch über vierte, fünfte Plätze und Finaleinzüge. Und mit Lukas Märtens haben wir den Besten der Welt in seiner Disziplin. Darauf wollen und müssen wir weiter aufbauen.
Noch Ende 2023 hat Bernd Berkhahn die Strukturen und eine fehlende Professionalität kritisiert. Ist das besser geworden?
Wir haben gemeinsam mit DOSB und BMI einen Strukturplan fixiert und die Trainingslager und Wettkämpfe bis 2028 geplant. Das ist das Fundament, auf dem wir aufbauen wollen. Die Bundesstützpunkte im Schwimmen sind bis 2028 verlängert und wir haben deren Infrastruktur verbessert. Wir haben hochkarätige internationale Experten engagiert, die Weiterbildungen für unsere Trainern anbieten. Ich hoffe, dass mit diesen Maßnahmen und den Erfolgen auch wieder Ruhe im Verband einkehrt. Personell fehlen noch zwei, drei Puzzleteile, wir suchen noch einen Chefbundestrainer.
Ein Chefbundestrainer klingt sogar nach einem großen Puzzleteil.
Da haben Sie Recht (lacht). Das ist auf der einen Seite eine finanzielle Frage. Von diesen Personen, mit entsprechender Fachkenntnis, gibt es nur sehr wenige. Nach den Olympischen Spielen werde ich viel Zeit investieren, um ab Januar 2025 einen Kandidaten zu finden.
Wie wichtig sind Leute wie Bernd Berkhahn, die seit Jahren gute Arbeit leisten?
Er ist der erfahrenste und erfolgreichste Trainer, den wir haben. Er hat die stärkste Trainingsgruppe in Deutschland und arbeitet sehr wissenschaftlich fundiert, davon können alle anderen Bundesstützpunkt-Trainer profitieren.
Wie nehmen Sie die Atmosphäre in Paris wahr?
Es ist absolut überwältigend. In Vorläufen mit französischer Beteiligung ist es oft schon so laut, dass hier fast das Dach wegfliegt. 17 000 Leute sind schon vormittags da, ich glaube, das gab es noch nie.
Wenn da bloß nicht die schmutzige Seine wäre …
Natürlich schauen wir immer auf den Wetterbericht, dass es möglichst wenig oder gar nicht regnet. Am Ende werden es für alle die gleichen Bedingungen sein. Wir hoffen, dass wir in der Seine schwimmen können. Wenn es nicht klappt, hat das IOC noch eine Ausweichmöglichkeit auf der Ruderregattastrecke.