Silberner Doppelschlag

von Redaktion

Judoka Butkereit und die Kanutin Lilik erfreuen „Team D“ fast zeitgleich

„Komplett überwältigt“: Kanutin Lilik jubelte mit Vater und Trainer Thomas Apel. © DPA

Den Moment konnte sie doch noch genießen: Butkereit mit dem Kuss auf die Silbermedaille. © DPA

Als die ersten Freudentränen getrocknet waren, brauchte Elena Lilik einen kurzen Moment. Abseits des Trubels am Wildwasserkanal von Vaires-sur-Marne starrte die Slalomkanutin ungläubig auf ihre Silbermedaille und schüttelte mit dem Kopf, dann fiel sie völlig überwältigt ihrem Mann Leon in die Arme.

„Es ist verrückt“, sagte Lilik, die sich bei ihrem Olympia-Debüt direkt ihre erste Medaille schnappte: „Es hat mich komplett überrascht und überwältigt, auch schockiert irgendwo. Der Lauf an sich war unwirklich. Ich habe meinen Kopf ausgeschaltet und einfach gemacht.“

„Es hat mich auch schockiert“

Die 25-Jährige Wahl-Augsburgerin setzte als sechste Starterin in 103,54 Sekunden zunächst die Bestzeit, die lange Bestand hatte. Nur die überragende Olympiasiegerin Jessica Fox (Australien) war knapp zweieinhalb Sekunden schneller als die Deutsche, die schon nach ihrer Fahrt mit den Tränen gekämpft hatte. Bronze ging an die US-Amerikanerin Evy Leibfarth.

„Sie hat sich von Lauf zu Lauf gesteigert“, sagte Jens Kahl, Sportdirektor beim Deutschen Kanu-Verband (DKV) nach dem Rennen: „Damit hat sie den Gegnerinnen ein Pfund vorgegeben, an dem sie sich die Zähne ausgebissen haben. So soll es sein.“

Lilik sprang vor rund 15 000 Zuschauern im Osten von Paris nervenstark für ihre erfolgsverwöhnten Teamkollegen Ricarda Funk und Sideris Tasiadis in die Bresche, die entweder dramatisch mit Torfehler (Funk) oder in einem Hundertstelkrimi (Tasiadis) das Traumziel Podest verpasst hatten. In Tokio hatte der Deutsche Kanu-Verband (DKV) noch in allen vier Slalomentscheidungen Medaillen gewonnen – nun ist zumindest eine Nullnummer abgewendet.

„Das sind Trauertränen“

Von Freude war in Paris hingen zunächst keine Spur. Miriam Butkereit stand weinend in der Mixed Zone, aufgelöst. Kurz zuvor hatte sie das Judo-Finale in der Klasse bis 70 kg gegen die kroatische Europameisterin und Weltranglistenerste Barbara Matic verloren. „Es sind gerade einfach nur Trauertränen. Ich hoffe, die nächsten Tage wird sich das noch mal ändern. Ich habe Gold verloren und nicht Silber gewonnen.“ Butkereit ärgerte sich über den Anfang des Kampfs, sie habe die Situation falsch eingeschätzt und konnte den knappen Vorsprung der Kroatin nicht mehr aufholen. Freunde und Familie nahmen die 30-Jährige in den Arm, Mama Butkereit sagte zur Tochter: Ich bin unheimlich stolz auf dich!

Die Silbermedaillengewinnerin war das noch nicht. Zu groß ist ihr Ehrgeiz, zu viel hat sie in die Vorbereitung auf diese Olympische Spiele gesteckt. Vor drei Monaten erlitt sie einen Innenbandriss im Knie, musste trotz guter Form auf die Weltmeisterschaft verzichten. Vor einer Woche zog sie sich eine Gehirnerschütterung im Training zu. „Sie geht über Grenzen, ihr Ehrgeiz ist fast schon phänomenal“, sagte Leistungssportvorstand Hartmut Paulat.

„Absprachen wurden über Bord geworfen“

Doch in der Trauer sparte Butkereit auch nicht mit Kritik. „Es wurden Absprachen über den Bord geworfen. Was man vor einem Dreivierteljahr abgesprochen hatte, wurde wieder geändert“, sagte die gebürtige Hamburgerin: „Und man musste trotzdem alle Wettkämpfe machen. Daraus resultierte meine Verletzung, die man vielleicht auch einfach hätte vermeiden können und mich fit für den Höhepunkt machen.“ Absprachen zwischen wem? Verband, Trainer und Athleten, sagte Butkereit auf Nachfrage. Neben der Trauerbewältigung gibt es wohl auch noch gewaltigen Redebedarf. Immerhin: Mit der Silbermedaille um den Hals konnte sie dann schon wieder lächeln.

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