König Bö tritt zurück und weint

von Redaktion

„Ein Schock“: Biathlon-Superstar beendet Karriere – die Familie geht vor

Familienmensch: Johannes Thingnes Bö mit seinen Kindern Gustav und Sofia. © Instagram

Ein weinendes und ein lachendes Auge: Bö will mehr Zeit für die Familie. © IMAGO

Ruhpolding – In Ruhpolding ließ Johannes Thingnes Bö die Bombe platzen. Sehr emotional und unter Tränen gab er am Samstag bekannt, dass diese Saison die letzte des Biathlon-Dominators der letzten Jahre sein wird. Bö kündigte im Rahmen einer sehr spontan angesetzten Pressekonferenz an, sein Statement auf norwegisch halten zu wollen, es sei ihm sehr wichtig – und das merkten alle Anwesenden sofort. Der 31-Jährige brach nach nur wenigen Worten ab. Dass er diese Worte laut aussprach, nahm ihn sichtlich mit, er wischte sich Tränen aus dem Gesicht.

Ursprünglich wollte Bö seine Langlaufski erst nach Olympia 2016 in Cortina (Italien) in den Keller stellen. Um die Weihnachtszeit fasste der 20-malige Weltmeister den Entschluss, schon ein Jahr früher zurückzutreten: „In 20 Jahren, wenn meine Kinder ausziehen, werde ich das sicher nicht bereuen“, sagte er zu seiner Entscheidung, von der lediglich sein Bruder Trajei wusste. Auch seine Teamkollegen und Trainer waren überrascht von seinem Rücktritt. Für die ehemalige Gesamtweltcupsiegerin Marte Olsbu Roeiseland, die mit dem deutschen Frauentrainer Sverre verheitet ist und als Expertin für das norwegische Fernsehen arbeitet, „war es ein Schock“, wie sie unserer Zeitung gestand. Der Grund sei für die 34-Jährige „absolut nachvollziehbar“, der Zeitpunkt eher weniger. Sie hatte ihr Karriereende 2023 erst im Rahmen ihres letzten Wettkampfwochenendes in Olso bekanntgegeben. „Aber da sind wir anscheinend verschieden“, so Roeiseland.

Sportlich weiß Bö, dass er „es schaffen könnte, noch öfter zu gewinnen, weil ich eine unglaubliche Gabe habe. Ich muss fasst nicht trainieren, um die Nummer eins zu sein“, sagte er. Und das zeigte er am Sonntag im Massenstart einmal mehr. Gewonnen hat er zwar nicht, doch der Jubel der über 20 000 Fans in Ruhpolding für den am Ende Drittplatzierten war sogar noch größer als beim Zieleinlauf des Überraschungssiegers Tommaso Giacomel (Italien). Zweiter wurde Sturla Holm Laegreid. Insgesamt stand Bö 116-mal ganz oben und feierte fünf Gesamtweltcupsiege. Bis zu seinem endgültigen Abschied könnten noch weitere Erfolge hinzukommen. Doch das ist schon länger nicht mehr alles für den Biathlon-Superstar. „Es nimmt dir und den Menschen um dich herum sehr viel, die Nummer 1 in deinem Sport zu bleiben“, sagte er.

Es ist nicht das erste Mal, dass Bö seine Karriere hinten anstellt: Als Anfang 2020 sein Sohn Gustav geboren wurde, ließ der Familienmensch vier Rennen in Deutschland aus. Und auch zwei Jahre später beendete er seine Saison nach den Olympischen Spielen in Peking, bei denen Bö viermal Gold und einmal Bronze gewann. Der Gesamtweltcup, der schließlich an den Franzosen Quentin Fillon Maillet ging, spielte für ihn schon zu diesem Zeitpunkt eine untergeordnete Rolle. Im Sommer 2023 kam dann seine Tochter Sofia zur Welt.

Im März soll es bei seinem Heimweltcup am Holmenkollen „eine große Party“ geben. Sein langjähriger Widersacher Laegreid will dort zum Partycrasher werden. Auch er äußerte sich emotional zu Bös Abschied.

„Ich werde ihn als Person vermissen, er hat einen ganz speziellen Platz im Team. Und die Entscheidung, wegen seiner Familie aufzuhören, macht ihn nur noch mehr zu einem Vorbild“, sagte der Zweite des Gesamtklassements unserer Zeitung. Nichtsdestotrotz: „Ich will ihn schlagen, solange er noch da ist“, lautet seine Kampfansage.
ALEXANDER VORMSTEIN

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