NFL

„Danach fällst du in ein Loch“

von Redaktion

Football-Star Werner über eine mentale Krise und das Berlin-Spiel seiner Colts

Kommentator und Podcaster: Björn Werner. © Schueler/Imago

Björn Werner ist der erste deutschsprachige Spieler, der in der ersten Runde des „Drafts“ in der National Football League ausgewählt wurde. Das Interview vor dem Spiel der Indianapolis Colts, Werners Ex-Verein, gegen die Atlanta Falcons in Berlin.

Björn Werner, Bernhard Raimann hat vor wenigen Tagen erzählt, wie er dich erstmals auf dem Trainingsplatz der Vienna Vikings getroffen hat. Jetzt spielt er mit den Colts in Berlin und sagt, er ist unfassbar stolz, als deutschsprachiger Spieler in Ihre Fußstapfen treten zu können. Wie viel bedeutet Ihnen dieser Moment?

Der Typ ist so am Boden geblieben, er würde sich niemals selbst loben. Ich sage es ihm daher jedes Mal, wenn ich ihn sehe: Bernhard setzt Woche für Woche einen drauf und zeigt Kids im deutschsprachigen Raum, was man erreichen kann. Sebastian Vollmer war in meinen Augen bislang der erfolgreichste deutschsprachige, oder sogar europäische Spieler. Bernhard knüpft da mit seinen individuellen Leistungen absolut an. Er gehört zu den zehn besten Spielern auf seiner Position, das ist schon eine harte Leistung.

Stars wie Bernhard Raimann oder Amon-Ra St. Brown, die Woche für Woche abliefern. Wie wichtig ist das für die Entwicklung von Football im deutschsprachigen Raum?

Eine Identifikationsfigur auf der Receiver-Position zu haben, ist wirklich ein Segen. Amon-Ra ist ein Top-5-Passempfänger Pass für Jahr. Damit kannst du die Entwicklung richtig pushen, weil die Jungs natürlich immer für Highlights sorgen. Bernhard geht fast ein bisschen unter, weil er auf einer Position spielt, die immer untergeht. Generell hoffen wir auf mehr deutsche Jungs, die auch in Deutschland mit Football angefangen haben, in der NFL. Das ist der nächste Schritt, damit es noch größer wird.

Ihr Ex-Team mit den Colts in Ihrer Heimatstadt – besser geht es wohl nicht?

Ich freue mich am meisten, dass die Colts aktuell mit das heißeste Team in der NFL sind. Das macht die Geschichte nochmal runder. Als die Paarung für die Berlin vor der Saison verkündet wurde, haben viele gesagt: Och ne, die Colts gegen die Falcons. Jetzt reden die Leute ganz anders über das Spiel. Jetzt haben wir die Ehre, DAS Team der letzten Wochen in Berlin zu begrüßen. Das ist mein Ex-Team, ich bin Botschafter für die Colts, vor dem Spiel haben wir unsere eigene Show, ich darf das Spiel für RTL kommentieren, das ist einfach nur geil. Durch Berlin bekommt das Spiel die perfekte Bühne.

Wenn Sie an Ihre aktive Zeit bei den Colts zurückdenken – welche Momente schießen Ihnen da zuerst in den Kopf?

Das Stadion schießt einem sofort in den Kopf. Und dann mein bestes Spiel, das war gegen die Baltimore Ravens, danach habe ich den Game Ball bekommen. Aber meine Karriere war früher beendet als ich es mir erhofft habe. Deshalb gibt es da immer einen bitteren Beigeschmack. Weil du dir natürlich erhofft hast: Hey, ich werde zehn Jahre in der NFL spielen. Aber ich bin sehr dankbar dafür, dass Football weiter so ein großer Teil in meinem Leben ist.

Die Zeit in der NFL muss sich wie in einem Rausch anfühlen. War es nach der aktiven Zeit schwer, diese Lücke zu füllen?

Bei den meisten Spielern endet die Karriere nicht nach den eigenen Vorstellungen. Es gibt Verletzungen oder man wird aussortiert, weil die Leistung nicht mehr stimmt. Bei mir ging das damals schneller als ich es erwartet habe durch die Verletzungen. Natürlich fällst du danach erstmal in ein Loch. Ich war schon echt in einem tiefen Loch. Ich weiß nicht, ob es Depressionen waren, so weit will ich nicht gehen. Aber so schlecht ging es mir noch nie in meinem Leben. Du musst danach erstmal was finden, um diesen riesigen Teil zu ersetzen. Dein ganzes Leben war Football, der ganze Alltag hat sich um Football gedreht. In der spielfreien Zeit vor meiner letzten Saison ist meine Tochter auf die Welt gekommen. Das gibt dir natürlich eine ganz neue Perspektive auf das Leben, das ist ein riesiges Geschenk. Und durch meine Arbeit als Kommentator ist Football ja wieder in meine Leben zurückkommen. Mein Leben die letzten Jahre über ist eigentlich absurd: Ich rede nur über Football (lacht).

INTERVIEW: NICO-M. SCHMITZ

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