Der Kutten-Kini von Berlin

von Redaktion

Kult-Fan Udo Kienast ist im Osten aufgewachsen, aber in den FC Bayern verliebt

Berlin ist genauso verrückt wie er: Der Kutten-Kini fällt auf, aber im positiven Sinne. © Meike Kenn/laif

München – Noch keine Woche ist es her, da stand Udo Kienast auf dem Podium im BMW Park. Die Jahreshauptversammlung des FC Bayern war schon weit vorangeschritten, aber die Wortmeldung war eine Herzensangelegenheit – und der Weg nach München weit. 600 Kilometer hat Kienast, besser bekannt unter dem Namen „Kutten-Kini“ aus Berlin nach München zurückzulegen, einfach, wohlgemerkt. Letzte Woche war er dran, aber an diesem Wochenende kann er einfach daheim bleiben. Die Bayern nämlich kommen zu ihm, dem „Ossi“, wie er schmunzelnd sagt.

Die Partie bei Union Berlin am Samstag (15.30 Uhr) ist für Kienast in vielerlei Hinsicht eine besondere. Zu wem er hält, steht außer Frage, der „Kini“ ist Bayern-Fan, seitdem er sechs Jahre alt ist. Aber wer im Osten, besser in Königs Wusterhausen südlich von Berlin, aufgewachsen ist, trägt halt auch ein Stückchen Union in sich. „Damals“, sagt Kienast, „war Union DER Verein. Ein Gegenpol zum BFC Dynamo.“ Und er erinnert sich noch gut daran, was als Antwort kam, wenn er als Jugendtrainer seine Mannschaft gefragt hat: „Wollt ihr lieber eine Weihnachtsfeier machen oder zu Union gehen?“ Na klar. Ab in die Alte Försterei! Dahin, wo Kienast sich bis heute pudelwohl fühlt.

Aus dem Süden fährt er auch an diesem Samstag nach Berlin rein, und er weiß: „Ganz Köpenick wird wieder voller Union-Fahnen sein.“ Er mag das Kultige rund um diesen „Dorfverein“, man hilft sich, man packt an. Und er liebt es auch, wenn ihm rund ums Union-Stadion zugerufen wird: „Geile Kutte!“ Man sei hier offen, sagt Kienast, und vielleicht spüren die „Roten“ auch, dass er an 32 von 34 Spieltagen und auch beim traditionellen Weihnachtssingen einer von ihnen ist. „Herthaner sind unberechenbarer“, sagte er, und immerhin: Beim Eröffnungsspiel des modernisierten Union-Stadions war er einst in seiner berühmten Bayern-Kutte und Union-Schal um den Hals. „Eine dicke Fanfreundschaft“ gibt es zwar nicht, aber „ein offenes Verhältnis“. Weil man zwar komplett verschieden, aber doch irgendwie ähnlich ist: „Familie und Zusammenhalt gibt es in beiden Clubs. Nur unter ganz anderen Voraussetzungen.“

Kienast lebt die Werte. Auch in Kindeszeiten hielt er es schon mit den Münchnern. Verbotenerweise verfolgte der heute 60- oder besser 59+1-Jährige die Spiele der Bayern im Westfernsehen, ein Poster ließ er sich über die Grenze schmuggeln. Die Mauer trennte ihn nur räumlich von seiner größten Leidenschaft. Mitglied ist er zwar erst seit zehn Jahren, und eine Dauerkarte hat er auch nicht. Aber bei „75 bis 95 Prozent aller Heimspiele“ fährt Kienast nach München. Den Weg über die A9 kennt er freilich im Schlaf. 600 Kilometer hin, 600 wieder zurück.

Für ihn passt das so, für Berlin auch. „Hier ist alles so verrückt, da falle ich gar nicht auf“, sagt Kienast. Und trotzdem sieht man ihn in der Hauptstadt immer wieder in Gespräche verwickelt. Interessiert sind die Mitbürger, warum ist so ein Bayern-Verrückter ausgerechnet in Berlin? Kienast lacht. Bier, Wurst, Gemütlichkeit: Er mag alles an Bayern. Aber Heimat ist und bleibt Heimat.

Am Samstag wird Kienast seine Bayern anfeuern und im Nachgang auf Youtube seine kultige Video-Analyse zum Besten geben. 18.000 Aufrufe hat eins seiner Videos mal gebracht, darauf ist er mächtig stolz. Aber es wirkt sowieso so, als wisse er schon, was passiert: „Jeder Punkt gegen Bayern ist für Union ein nicht eingeplanter.“ So oder so aber soll Bayern am Ende der Saison Erster sein „und Union im gesicherten Mittelfeld“. Dann wäre die rote Welt in Ordnung. Und die vom Kutten-Kini sowieso.HANNA RAIF

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