Vom Traum zur Top-Arena

von Redaktion

Wie drei Visionäre Münchens modernste Halle bauten – den SAP Garden

„Man sieht nur einen kleinen Ausschnitt und erkennt ihn sofort“: der SAP Garden. © IMAGO

München – Gut ein Jahr ist es her, dass der SAP Garden am Rande des Olympiaparks seine Türen öffnete. Nun kehrten seine „Väter“ – die Architekten Jesper Bork, Olaf Skov Kunert und Verena Scharf – an den Ort ihres Mammutprojekts zurück. Im Interview erzählen sie gemeinsam mit Arenachef Oliver Wesp, wie es zu Münchens neuem Sporttempel kam.

Sie haben das Projekt SAP Garden sechs Jahre lang begleitet. Wie speziell ist das Wiedersehen, gut ein Jahr nach der Fertigstellung.

Bork: Das ist ein fantastisches Erlebnis. Ganz besonders auch hier in dieser besonderen Umgebung des Olympiaparks. Hier etwas gebaut zu haben, ist etwas sehr Spezielles.

Hat der Sport für einen Architekten eine besondere Faszination?

Bork: Sport ist immer faszinierend. Aber besonders reizvoll finde ich es, durch unsere Arbeit Möglichkeiten zu schaffen, bei denen sich Menschen gemeinsam Freude erleben können. Das ist umso spezieller, da wir ja in der Corona-Zeit geplant haben, als sich Menschen nicht treffen konnten.

Skov Kunert: Es ist auch faszinierend, für Profiklubs zu planen. Man muss den Olympiapark gut behandeln und etwas hineinsetzen, das hineinpasst. Gleichzeitig muss man eine Identität schaffen, wie hier für Red Bull. Und das in einem Umfeld, in dem Reklame nicht erlaubt ist.

Wie macht man das?

Skov Kunert: Durch Farben. Durch dynamische Linien. Die sieht man ja auch in der Fassade. Konzeptionell war es für uns ein metallischer Vorhang, den wir über den Eingängen hochheben. Am Ende sind daraus bei genauerem Hinsehen 260 Hockeyschläger geworden. Man kann mehrere Geschichten über dasselbe Kind erzählen.

Wie stark unterscheidet sich das Ergebnis von ihrem ursprünglichen Entwurf?

Bork: Das entspricht tatsächlich sehr unseren damaligen Gedanken. Die Idee war, den Olympiapark in dieser bislang eher unbelebten Ecke fortzusetzen und die Trainingshallen mit künstlichen Hügeln zu überdecken. Außerdem wollten wir das Gebäude in die Landschaft einpassen.

Skov Kunert: Das war die Aufgabe. Du kannst nicht einfach etwas Nichtssagendes neben das weltberühmte Zeltdach stellen. Das ist ein Spagat. Es muss hineinpassen und dennoch Identität haben, dass es auch ohne das Zeltdach bestehen kann.

Gab es ein Vorbild, eine Inspiration?

Bork: Günther Benischs Entwurf für den Park hat uns inspiriert. Sport in der Landschaft. Die Idee war, dass die Hügel des Parks die Tribünen des Olympiastadions bilden. Das war übrigens auch der größte Unterschied zu unserem ursprünglichen Entwurf. Wir hatten die Tribünen ähnlich wie einen Hügel vorgesehen. Aber Red Bull wollte die Steilheit, um einen Hexenkessel zu erzeugen.

Skov Kunert: Wir wollten es wie im Olympiastadion: Man betritt das Gebäude und hat den Unterrang direkt vor sich. Man muss nicht erst eine Treppe hinaufgehen. Man ist mittendrin. Die Optik ist eine andere Sache. Wir arbeiten gerne mit Glas und metallischen Fassaden. Durch einen speziellen Lack verändern die so genannten Lisenen je nach Tageslicht ihre Farbe. Auch wenn man sie anstrahlt, reflektieren sie.

Eine Arena wie der Garden muss ein technisches Wunderwerk mit Seele sein. Ein schwieriger Spagat?

Bork: Ohne die richtigen Partner kann es wahnsinnig schwierig sein. Mit der Stadt und vor allem dem Bauherrn, der Red Bull Stadion München GmbH, hatten wir jedoch ausgezeichnete Partner. Übrigens ist mir heute, als wir zum SAP Garden gefahren sind, ein Detail aufgefallen: Wenn man mit der Straßenbahn kommt und aus der Unterführung geht, sieht man zunächst nur ein kleines Stück der Fassade. Aber man weiß sofort, was das für ein Gebäude ist. Das ist Identität.

Wie oft stößt man bei diesem Prozess an Grenzen?

Skov Kunert: Täglich, die ganze Zeit…

Scharf: Aber es geht schließlich auch darum, diese Grenzen auszutesten. Und ich finde, das ist gut gelungen. Das hat man ja vor der Eröffnung gesehen. Da hatte jeder das gleiche Gefühl im Bauch. Da ist Architektur ein Mannschaftssport.

Wesp: Als Bauherr hatten wir klare Vorstellungen und Ansprüche. Die Halle soll verschiedene Sportarten beherbergen können. Gegebenenfalls auch zur gleichen Zeit, etwa wenn auf der Hauptspielfläche ein Sportevent stattfindet und gleichzeitig die Eisdisco in einer der drei unterirdischen Eishallen für den Publikumslauf geöffnet ist. Jeder, der kommt, soll seinen Besuch nach Möglichkeit als einmaliges Erlebnis in Erinnerung behalten. Wir hatten viele verrückte Ideen, haben ab und zu mal ein „Nein“ gehört, aber es am Ende doch geschafft. Am Ende ist etwas Einzigartiges herausgekommen. Das bekommen wir auch immer wieder von den Besuchern zurückgespielt.

Hat der Garden das Zeug zum Wahrzeichen?

Wesp: Das müssen andere beurteilen. Das Gewicht, das das Gebäude jetzt schon hat, spricht jedoch Bände. Die meisten Veranstaltungen hier sind ausverkauft, die Auslastung liegt bei grandiosen 96 Prozent. Die Menschen kommen offensichtlich gerne her. Wahrscheinlich werden wir noch in diesem Jahr den millionsten Eventzuschauer begrüßen können. Das wäre ein fantastischer Meilenstein. Hinzu kommen 150 000 Münchnerinnen und Münchner, die bislang eine unserer drei unterirdischen Eishallen besucht haben. Auch die Stadt ist sehr stolz darauf. Außerdem merken wir, dass wir für Großsportereignisse attraktiver geworden sind. Dass die deutsche Vorrunde einer Handball-WM trotz des deutlich kleineren Fassungsvermögens hier und nicht in Köln stattfindet, ist ein Ritterschlag. So hatten wir es bei den Planungen vorgesehen. Und natürlich wollen wir auch für das größte Ereignis bereit sein: Olympia. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

INTERVIEW: PATRICK REICHELT

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