In gut zwei Wochen feiert er seinen Geburtstag. Es ist der 73. für Robert Atzorn und der erste, bei dem er einfach nur Opa, Papa und Ehemann ist. Für die Öffentlichkeit völlig überraschend, hat sich der TV-Liebling im Dezember in den Ruhestand verabschiedet. Und das mit aller Konsequenz: keine Dreharbeiten mehr, keine Theaterauftritte. Auch Interviews, Talkshows oder Galas sind für Atzorn Geschichte. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen will der Hanseat nicht vor der Kamera sterben, sondern sich ab sofort ausschließlich dem Leben vor dem Tod widmen.
Ein starker Schritt für einen, der über Jahrzehnte vom Erfolg verwöhnt und der Fernsehgemeinde geliebt wurde. Über sieben Millionen Zuschauer folgten ihm zuletzt regelmäßig auf die Insel Sylt, wo er in der ZDF-Krimireihe „Nord Nord Mord“ Gewaltverbrechen aufdeckte. Heute ist er um 20.15 Uhr ein letztes Mal in dieser Rolle zu sehen und erklärt seinen Abgang so: „Kriminalkommissare gehen in der Regel mit 65 in Pension, und um bei der Wahrheit zu bleiben: Ich bin schon lange drüber.“ Auch wenn man es Robert Atzorn nicht ansieht. „Das ist der Vorteil, wenn man mit einer Yogalehrerin verheiratet ist“, verriet er beim letzten Interview mit unserer Zeitung. Täglich mache er seine Übungen in seinem Haus am Chiemsee. „Außerdem bin ich viel draußen. Ich genieße es, um den See zu radeln oder in die Berge zu gehen.“ Mit Ehefrau Angelika verbinden ihn mehr als 40 Jahre Ehe und zwei erwachsene Söhne. „Wir haben immer an unserer Beziehung gearbeitet und mit der Zeit eine große Achtsamkeit entwickelt. Die ist wichtig – auch in Bezug auf einen selbst.“ Ein Mann für halbe Sachen war Robert Atzorn nie. Eher der Typ ganz oder gar nicht – so kennt ihn auch Schauspieler Tilo Prückner, der sich nicht wundert, dass sich sein Freund noch nicht einmal von den Rollenangeboten umstimmen ließ, die ihm seine Münchner Agentin zuletzt in Aussicht stellte. „Das passt zu ihm“, lacht der 77-Jährige. „Schon als wir gemeinsam im Hamburger ,Tatort‘ ermittelt haben, hat er davon gesprochen aufzuhören.“ Er sei immer zerrissen gewesen. „Weil er ein Schauspieler ist, der viel mit dem Kopf arbeitet, der Ansprüche hat. Wenn die Drehbücher im ,Tatort‘ nicht gut waren, hat ihn das wahnsinnig frustriert. Dann wollte er alles hinschmeißen.“
Auch Kollegin Maren Kroymann kennt Atzorns Neigung zu radikalen Entscheidungen. Die Schauspielerin und Kabarettistin feierte Ende der 80er-Jahre mit ihm den Durchbruch in der Familienserie „Oh Gott, Herr Pfarrer“. „Ich war eine absolute Anfängerin, doch er hat mir mit seiner Herzenswärme alle Unsicherheit genommen“, erinnert sie sich im Gespräch. „Seine Offenheit und Unterstützung haben mir unheimlich geholfen. Ich habe viel von ihm gelernt.“ Die Reihe wurde ein großer Erfolg, Atzorn stieg dennoch aus, ließ sich auch von der Kollegin nicht zum Weitermachen überreden. „Damals meinte er, er wolle keine Serien mehr drehen“, sagt Kroymann.
In den 90ern nahm er dennoch die Rolle als „Unser Lehrer Doktor Specht“ an und avancierte in 68 Episoden zum Traumlehrer der Nation. Es waren die Serien, die Atzorn beliebt, und die TV-Dramen, die ihn zum geachteten Schauspielstar machten. Tand und Glitter interessierten ihn dabei nicht, rote Teppiche überschritt er meist nur, um Fernsehpreise entgegenzunehmen. „ Robert ist ja ein sehr spiritueller Mensch. Ich glaube, er braucht diese ganzen Äußerlichkeiten nicht“, sagt Tilo Prückner, der als „Rentnercop“ in der ARD seinen eigenen Ruhestand hinauszögert. „Für mich wäre so ein Abschied keine Option“, gibt er offen zu. „Ich habe das Gefühl, dass mich das Drehen frisch hält. Am Set muss ich funktionieren wie ein Junger.“
Auch Maren Kroymann genießt es, sich mit 68 Jahren die Aufgaben aussuchen zu können, die ihr gefallen. „Wir Schauspieler haben das große Privileg, dass die Figuren im Fernsehen mit uns altern. Es gibt zwar nicht mehr so viele, aber immer noch gute Rollen – auch für ältere Menschen.“ Das Gefühl, geliebt, gewürdigt und bestätigt zu werden – die wenigsten wollen es missen. „Darauf verzichten zu können, ist für mich ein Zeichen großer geistiger Reife“, sagt Kroymann. „Ich wünsche Robert, dass er im Ruhestand sein Glück findet. Seine Familie kann sich über mehr Zeit mit einem sehr fairen und liebevollen Menschen freuen. Für alle anderen ist sein Abschied allerdings ein echter Verlust.“