Es gibt Darsteller, und es gibt Schauspieler. Bibiana Beglau übertrifft beide. Sie stellt nicht nur dar, sie spielt nicht nur. Nein, nimmt sie sich einer Rolle an, ist’s, als würde sie sich verwandeln, als streife sie ein anderes Ich über. Ob auf der Bühne im Münchner Resi oder im Hamburger Thalia Theater, ob bei Lesungen wie neulich in der Bar Gabányi oder auf großer Leinwand wie in Isa Prahls aufwühlendem Drama „1000 Arten Regen zu beschreiben“, das am 22. März in den Kinos startet: Ist die 46-Jährige mit von der Partie, adelt sie jedes Projekt zur Kunst. Wie im Fernsehfilm „Teufelsmoor“, den die ARD heute Abend um 20.15 Uhr zeigt.
Interview in München. Beglau raucht noch eine Zigarette und ist dann ganz da. Kein Handy in Reichweite, ihr Gesicht dem Gegenüber zugewandt. Mit wachem Blick schaut sie ihre Gesprächspartnerin an, die Augen funkeln wie die einer Katze – offen, interessiert, neugierig, aber immer auch mit einer Spur von forschendem „Lass ’mal schauen, was du für eine bist“.
„Teufelsmoor“ also. Ein Mystery-Thriller im Ersten. Und das funktioniert? Beglau lacht. „Klasse, oder? Tatsächlich ist das ungewöhnlich. Genau das gefällt mir – ein in Deutschland eher unbekanntes Terrain zu erkunden.“ Es ist die Geschichte von Inga (Silke Bodenbender) und Anna (Beglau), zwei Frauen, deren Unterschiedlichkeit schon optisch hervorsticht. Hier Inga, die blauäugige Blondine, die ihrem Heimatdorf seit Jahren den Rücken gekehrt hat, um sich nicht mit der Vergangenheit auseinandersetzen zu müssen. Da die dunkeläugige Brünette, die Verdrängen nicht zulässt.
Beglau ist die Idealbesetzung für diese Anna, die vor 28 Jahren von Ingas Eltern aufgenommen wurde, nachdem ihr Bruder auf rätselhafte Weise verschwunden war. Seit jenem Tag wird auch Ingas Bruder Magnus vermisst. Jahre später kommt Inga nun zurück ins Dorf, zur Beerdigung ihres Vaters. Anna, die seit der Kindheit geblieben war, will Inga dazu bewegen, ihre Erinnerungen aufzufrischen, um das Geheimnis des Verschwindens der Brüder zu lösen.
Es ist das Verdienst von Beglau, dass man bis zuletzt nicht schlau wird aus Anna. Ihr Lächeln hat etwas Hintergründiges, wenn sie Inga umgarnt. Was will sie von ihr? Welches Geheimnis verbindet die beiden?
Wie geht man an diese Rolle heran? „Man muss sich Annas Leben vorstellen: Es gibt eine Wahrheit, doch alle schweigen. Und sie sitzt da und muss es aushalten, das Schweigen. Um daran nicht zu krepieren, gibt es vielleicht so eine Art inneres Lächeln oder Lauern“, beschreibt Beglau all das. Das Thema, das Genre, vor allem aber die Tatsache, dass Brigitte Maria Bertele Regie führt, hat sie gleich angesprochen. „Darauf folgte einfach ein wahnsinnig tolles Casting. Wo wir alle rausgegangen sind und gesagt haben: Ja, darauf haben wir echt Lust!“, sagt sie und schlägt begeistert mit der Hand auf den Tisch.
Und dann ist da ja noch eine weitere Ebene. Stichwort Mystery. In dem Dorf, in dem die beiden Frauen aufgewachsen sind, glauben die Menschen an den „Dorgast“, der einmal im Jahr aus dem Moor kommt, um sich eine Seele zu holen. Nach und nach verschwimmen die Erinnerungen Ingas an das Verschwinden des Bruders mit dem Geisterkult. Schnell wird klar: Hier im Dorf verbrennt man nicht nur den Dorgast, sondern macht sich auch innerhalb des Ortes auf Teufelsjagd. Rituale, die die Gemeinschaft stärken sollen, werden auf einmal zum Ausgangspunkt für eine Hexenjagd auf die zwei Frauen.
„Ich glaube, eine Gesellschaft braucht Rituale als Anker der Rettung“, betont Beglau. Die Frage sei am Ende doch immer, mit welchen Geistern man selbst kämpft. „Was ist unser Teufel? Angst, Verzweiflung, Zorn – alles, was negativ konnotiert ist, haben wir in eine Figur hineingesteckt. Und das ist der Teufel. Eine verzweifeltere Figur als ihn gibt es ja eigentlich gar nicht“, sagt sie nachdenklich. Und da schwingt Mitgefühl für diesen einsamen Satan mit. Sie nennt es: Empathie. Eine Anerkennung auch des Bösen. „Wir sind als Menschen alle ständig zwischen diesen Antipoden, zwischen schwarz und weiß, groß und klein, damit haben wir rumzueiern. Wir sind mal gut, mal böse, wir sind beides.“
Wie Inga und Anna, die Blonde und die Brünette – die am Ende doch nicht so viel unterscheidet. Wenn das Eis über dem Moor gefroren ist und Anna darüber schreitet. Weil das Geheimnis gelüftet wurde. „Die Stagnation, das Ungewisse, da kann sie jetzt drübergehen und aufbrechen. Wohin auch immer.“