Die Entführung als Zäsur

von Redaktion

Regisseur Raymond Ley nähert sich in einem ARD-Doku-Drama den „Aldi-Brüdern“

VON STEFANIE THYSSEN

Jeder kennt ihre Läden, doch über die Familie dahinter weiß man so gut wie nichts. Die ARD widmet den „Aldi-Brüdern“ Karl und Theo Albrecht nun ein sehr sehenswertes Doku-Drama, das die beiden Charaktere und ihr Verhältnis zueinander beleuchtet, aber vor allem viel über die Zeit erzählt, in der dieses bis heute exorbitante Imperium entstand. Regie führte Raymond Ley, der gemeinsam mit seiner Frau Hannah auch das Drehbuch schrieb. Das Erste zeigt den Film heute um 20.15 Uhr.

Als Dreh- und Angelpunkt hat der Filmemacher die Entführung von Theo Albrecht gewählt. Am 29. November 1971 wird der damals 49-Jährige gekidnappt, die Entführer, gespielt von Peter Kurth und Ronald Kukulies) fordern sieben Millionen Mark Lösegeld. „Wir ,sezieren‘ die Figuren über die Entführung“, erklärt Ley im Gespräch mit unserer Zeitung. „Dieses Verbrechen stellt eine Zäsur im Leben der Familie dar. Wir erzählen, wie die Brüder und ihre Frauen in dieser Ausnahmesituation wahrscheinlich agierten – kühl, nahezu distanziert. Typisch für eine Nachkriegsfamilie, die auch Anfang der Siebziger Gefühle kaum offen zeigt.“

„Harte Fakten“ über Karl (im Film gespielt von Christoph Bach) und Theo (Arnd Klawitter) gibt es – abgesehen von ihrem unermesslichen Reichtum – ja auch kaum. Filmmaterial über die beiden ist so gut wie nicht vorhanden. Und doch gelingt es Ley, die beiden sehr genau zu porträtieren. Er zeigt zum Beispiel, dass Theo der bescheidenere der beiden Brüder war. Der Umstand, dass er, anders als Karl, auch keinen Chauffeur hatte, machte ihn zum idealen Opfer der Entführung.

Aus der Familie Albrecht wollte niemand vor laufender Kamera ein Interview geben. „Das ist ja seit jeher Familienpolitik“, sagt Ley. „Sie haben 50 Jahre nicht öffentlich geredet, warum sollten sie auf einmal jetzt die Tür aufmachen?“

Wie ging die Geschichte aus? Die Geiselnahme wurde nach 17 Tagen mit der Geldübergabe beendet. Die Entführer wurden schnell gefasst und zu jeweils achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Inzwischen sind beide tot. Ein Teil des Lösegelds blieb verschwunden. Theo Albrecht starb 2010 im Alter von 88 Jahren, sein Bruder Karl vier Jahre später mit 94. Was weiterlebt, ist das Imperium.

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