„Der Genderstern ist nur ein Zeichen“

von Redaktion

INTERVIEW Petra Gerster über ihren Abschied von den „heute“-Nachrichten im ZDF

Seit fast einem Vierteljahrhundert ist sie das Gesicht von „heute“ im ZDF – und damit die bei Weitem dienstälteste Moderatorin einer Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen. An diesem Mittwoch nimmt Petra Gerster, die einst mit dem (Frauen-)Magazin „ML Mona Lisa“ einem großen Publikum bekannt wurde, Abschied vom Bildschirm.

Wissen Sie schon, mit welchen Worten Sie sich von den Zuschauerinnen und Zuschauern verabschieden werden?

Nein. Das werde ich relativ spontan entscheiden. Lassen Sie sich überraschen.

Sie blicken auf 23 Jahre „heute“ zurück. Was hat sich an Ihrer Arbeit in dieser Zeit verändert?

Sie ist – durch die Digitalisierung – viel schneller geworden. Und anspruchsvoller. Denn seit es die Sozialen Netzwerke gibt, in denen sich unkontrolliert Fake News verbreiten, genügt es nicht mehr, nur das zu tun, was immer schon unsere Aufgabe ist – so objektiv wie möglich zu berichten und das Berichtete einzuordnen. Jetzt achten wir noch stärker darauf, die Quellen zu prüfen und Fakten von Fakes zu trennen.

Wir müssen über das Alter sprechen. Sie sind jetzt 66 – und wenn man zurückblickt auf die Schicksale von Moderatorinnen und Sprecherinnen bei „heute“ und der „Tagesschau“, stellt man fest, dass Sie die bislang Einzige sind, die den Job vor der Kamera bis zum Ende ihrer Berufstätigkeit machen durfte.

Und darauf bin ich auch ein bisschen stolz. Aber es ist mir nicht in den Schoß gefallen.

Sie mussten dafür kämpfen?

Durchaus. Als ich 50 wurde, fragten mich Journalisten, wie lange ich denn noch moderieren dürfe. Als Frau dieses Alters trug man das Verfallsdatum sozusagen auf der Stirn. Und tatsächlich war ich damals schon im deutschen Fernsehen weit und breit die älteste Moderatorin in der Primetime. Männer moderierten dagegen ganz selbstverständlich bis zur Rente, auch mit Hängebäckchen und Tränensäcken. Da wurde mir erst bewusst, welche Wegstrecke wir Frauen noch vor uns haben.

Sie gelten als Vorreiterin in Sachen Emanzipation – jetzt gibt es seit einiger Zeit einen neuen Aufreger, der mit Ihrem Namen verbunden ist, nämlich die geschlechtergerechte Sprache, speziell das Gendern. Damit machen Sie sich nicht nur Freundinnen und Freunde…

Ja, vor allem ältere Männer regen sich sehr darüber auf. Von Jüngeren – Frauen wie Männern – kommt dagegen Zustimmung. Ich verstehe das Unbehagen sogar, denn wir sind mit unserer Sprache aufgewachsen und vertraut, jetzt fürchten manche, dass da alles umgekrempelt werden soll. Aber das passiert ja nicht. Der Genderstern ist nur ein winziges Zeichen, das dafür sorgt, dass Frauen, die bisher im männlichen Plural verschwanden, sichtbar werden.

Mehr denn je wird den Öffentlich-Rechtlichen vorgeworfen, sie würden ihr Publikum erziehen, seien Staatsfunk, Regierungsfunk, gesteuert direkt aus dem Kanzleramt. Wie gehen Sie damit um?

Das sind die alten Argumente von ganz rechts, das ist Quatsch. Hier ruft niemand aus der Politik an, um Einfluss zu nehmen, den Skandal könnte sich auch niemand leisten.

„Alle Journalisten sind links-grün“ – noch so ein Schlagwort.

Auch fernab jeder Realität. Die Redaktion spiegelt die ganze Bandbreite der Gesellschaft – außer den Extremen. Im Übrigen konzentrieren wir uns darauf, sachlich und neutral zu berichten. Die Zuschauer danken es uns mit ihrem Vertrauen. Unsere Einschaltquoten sind so hoch wie lange nicht.

Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.

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