Der Schauspielkönig tritt von der Bühne ab

von Redaktion

Trauer um Österreichs Filmstar Helmut Berger

VON MICHAEL SCHLEICHER

Natürlich ist es nun, da Helmut Berger gestern in der Früh um 4 in seiner Heimatstadt Salzburg friedlich eingeschlafen ist, ein Leichtes, über den Freak zu lachen, den Kopf zu schütteln über die Ausraster, Skandale, Aussetzer. Die Exzentrik! Die Pleiten! Der Alkohol! Die Drogen! Der Sex! Mit Frauen!! Mit Männern!!! Mit sich selbst (gerne vor der Kamera)! Das Klauen – auch hier mitunter vor einem Objektiv! „All Cameras on me. Now!“ war eben nicht zufällig eine seiner liebsten Regie-Anweisungen. Selbst abseits des Sets.

Wer jedoch dieses Dasein, das nun elf Tage vor der Vollendung des 79. Lebensjahres geendet hat, darauf reduzieren möchte, dem sei – in Bergers Diktion – mit einem gepflegten „Fuck you!“ geantwortet. Hier ist ein großer Künstler gestorben.

Das Kostüm des Österreichers war sein schlechter Ruf. Dahinter verbarg sich einer der besten, vielseitigsten Filmschauspieler, den das Land in den Sechziger- und Siebzigerjahren hatte. Ein Menschen-Darsteller, der keine nennenswerte Schauspielausbildung genossen hat und der dennoch international Publikum und Kritik begeisterte. „Es ist schon seltsam, dass der beste junge italienische Schauspieler ein Österreicher ist“, lobte Regisseur Paul Morrissey einst.

Der Grundstein für diese Verneigung wurde 1964 in Rom gelegt. Das Jahr, in dem Berger, der sich als Statist durchschlug, Filmemacher Luchino Visconti kennenlernte, der den italienischen Neorealismus zur Blüte gebrachte hatte und sich gerade daranmachte, Europas Kino auf ein neues Niveau zu heben. In Berger fand er seinen Hauptdarsteller – für seine Produktionen, für sein Leben.

Nach dem Debüt in „Hexen von heute“ (1967) folgte der erste Meilenstein: „Die Verdammten“ von 1969 war ein wuchtiges Historiengemälde über den Zerfall einer Familie, die den Pakt mit den Nazis einging; die Krupp-Dynastie war Viscontis Vorbild für jene von Essenbecks. Nicht nur für seine Persiflage auf Marlene Dietrichs Lola aus „Der blaue Engel“ war Berger plötzlich im Rennen um einen Golden Globe.

Er drehte „Der Garten der Finzi Contini“ (1970) und drei Jahre später – erneut mit Visconti im Regiestuhl – „Ludwig II.“, beider Meisterwerk. Auf Standfotos aus dem Film sind die vertikalen Stirnfalten zu sehen, mit denen Berger seinem Märchenkönig alles Märchenhafte entzog. Er zeigte einen Mann, der zerrieben ist zwischen Erwartungen und Wünschen. Der Schauspieler legte die Skepsis des Kini, sein Gefühl, fehl am Platz zu sein und doch nicht auszukommen, auch sein späteres Zerbrechen an Amt und Ich von Beginn in seiner Rollengestaltung an. All das macht diesen Film zeitlos gut.

Parallel zur Kino-Arbeit war der Schauspieler, 1944 in Bad Ischl als Helmut Steinberger geboren, als Model tätig. Er war der erste Mann auf dem Cover der „Vogue“, die ihn prompt zum „schönsten Mann der Welt“ ausrief –niemand konnte, niemand wollte widersprechen.

Doch dann kam das Jahr 1976 und der Tod seines Lebensmenschen nach zwölf gemeinsamen, intensiven Jahren. Berger gab sich selbst den Titel „Viscontis Witwe“ – und nur Unsensible werden den Schmerz nicht erkennen, der sich darin verbirgt. Bergers Dasein geriet aus den Fugen, die Trauer trieb ihn beinahe bis zum Suizid.

Sein Leben und seine Karriere danach sind mit Achterbahn treffend beschrieben –künstlerisch, gesundheitlich, emotional, finanziell. „Ich bin jemand“, wurde er nicht müde zu betonen. Wahrgenommen, besser noch: ernst genommen zu werden – das war Helmut Berger wichtig. Bis zuletzt. Reue, sagte er einmal, sei das Gefühl, etwas Falsches zu bedauern. „Ich lebe den Moment und dem Moment haftet nichts Falsches an.“ Ein Schauspielkönig.

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