Zwergerl-Häuschen ganz groß

von Redaktion

Alternative zur Wohnungsnot – Tiny-House-Hersteller sind ausgebucht

Es sind winzige Häuschen – und sie kommen gerade ganz groß raus. Nicht nur als ab und zu genutzter Hingucker. Zunehmend rücken sie als Eigenheim in den Fokus. In Zeiten explodierender Mieten und gewaltiger Wohnungsnot in Großstädten und Ballungsräumen wächst das Interesse an den XS-Behausungen. In vielen Kommunen ist die Neugier geweckt. Planungen für Tiny-House-Siedlungen laufen an.

Ein Hersteller in Hamm – die Schreinerei Tiny House Diekmann – hat seit drei Jahren volle Auftragsbücher. Das 40-Personen-Team hat sich spezialisiert auf die Kleinstwohnhäuser, die mit Anhängern mobil sind, mit denen man aber auch sesshaft werden kann. „Ausgestattet sind sie nicht im Camping-Standard, sondern im normalen Hausstandard“, sagt Firmenchef Stefan Diekmann. Ein Blick in seine Werkstatt in Westfalen zeigt: Die Minis mit meist 22 bis 25 Quadratmetern Wohnfläche und auf anderthalb Ebenen sind clever eingerichtet. Vieles wird mehrfach genutzt: Ein Raumteiler zwischen Wohnraum und Küche fungiert zugleich als Treppe und Stauraum. Küchenzeile, Waschmaschine, Baderaum mit Dusche – alles drin. Strom, Frisch- oder Abwasser funktioniere wie im Standardhaus, betont Diekmann.

Bundesweit gebe es rund 20 Tiny-House-Anbieter, sagt Isabella Bosler, Geschäftsführerin von Tiny Houses Consulting. Allerdings: Will man die Tinys – sie kosten im Schnitt 60000 Euro – als Eigenheim und festen Wohnsitz nutzen, gelten dieselben Regeln wie beim Einfamilienhaus. Es braucht also Baugrund und eine Baugenehmigung. „In fast jeder Großstadt läuft inzwischen eine Tiny-House-Initiative.“ Derzeit geht Dortmund hier voran: Auf einem früheren Fußballplatz im Stadtteil Sölde entsteht ein TinyHouse-Village für 50 Bewohner. Gerald Kampert vom Stadtplanungsamt: „Wir bieten kleine, preiswerte Grundstücke und erschließen sie nach dem Bedarf der Tiny-House-Bewohner.“ Funktioniere das Experiment, laute das nächste Ziel: in jedem Stadtteil ein Tiny-Village. Andere Städte klopfen bei ihm an – etwa Münster, Bochum oder Düsseldorf.

„Die Tiny-House-Projekte sind ein spannender Ansatz“, findet der Städte- und Gemeindebund. „Sie können Städte und Gemeinden in Bezug auf Wohnungsnot entlasten.“ In Bremen läuft ein Vorhaben, in Karlsruhe hat sich eine Initiative gebildet. In Hannover soll sogar die größte Tiny-House-Siedlung Europas entstehen. Und in der Fichtelgebirgsgemeinde Mehlmeisel existiert bereits ein solches Tiny-Dorf. Und wer will in die Zwergenhäuser – sie stammen aus den USA und sind dort meist auf Rädern gebaut – einziehen? Experten zufolge sind es oft Menschen, die bewusst minimalistisch leben.

Eine mittlerweile große Kundengruppe, die ihren ökologischen Fußabdruck verringern möchte. Auch nach Trennungen oder Jobwechsel wird so mancher zum Tiny-Fan. Interessiert sind auch junge Leute, die sich fürs Eigenheim nicht verschulden wollen. Und eben jene Mieter, die für 50 Quadratmeter nicht länger 1200 Euro zahlen wollen.

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