Christkindlmarkt und Maibaum in Brasilien

von Redaktion

Warum die Stadt Gramado in der Serra Gaúcha so bayerisch ist – und man dort 88 Tage Weihnachten feiert

Fünf Minuten, nachdem ich einem Freund ein Foto des „Hotel Ritta Höppner“ geschickt habe, klingelt das Telefon. „Bist du in München?!“, fragt er. Man könnte es fast meinen, angesichts des Satteldachs, der Lüftlmalerei und des Maibaums auf dem Bild. Doch ich bin mehr als 10000 Kilometer weit weg in dem an die Alpen erinnernden Mittelgebirge „Serra Gaúcha“. Es liegt im von deutschen Einwanderern geprägten Süden Brasiliens, rund 120 Kilometer von Porto Alegre, Hauptstadt des Bundesstaates Rio Grande do Sul, entfernt.

„Hier ist es sehr ähnlich zu Deutschland, nicht wahr?“, fragt Adriana Höppner, die das Hotel Ritta Höppner leitet, und „ein bisschen“ Deutsch spricht. Das Ritta Höppner ist nicht irgendein Hotel. Bei den „Traveler Choice Awards“ des Reiseportals „Tripadvisor“ ist es auf Platz 14 der weltweit besten Hotels 2025 gelandet und wurde als bestes brasilianisches und südamerikanisches Hotel ausgezeichnet.

Ritta Höppner liegt in Gramado. Die 40000-Einwohner-Stadt ist eines der wichtigsten Reiseziele Brasiliens. Angebunden wird es an Europa mit der portugiesischen Fluggesellschaft TAP, die direkt von Lissabon nach Porto Alegre fliegt.

Was man in Gramado so macht? Die Stadt ähnelt einem Touristenort in den Alpen. Tagsüber ist man in der Bergwelt unterwegs, nachmittags treffen sich alle rund um die „Rua Coberta“, in gemütlichen Cafés und Restaurants zum Aufwärmen. Richtig viele Besucher werden ab diesem Wochenende erwartet. Dann startet das alljährliche Weihnachtsspektakel „Natal Luz“, das bis 18. Januar unzählige Brasilianer zu Glühweinbuden und Nikolaus-Audienzen lockt.

Stellt sich die Frage, warum hier alles so bayerisch ist, mitten im tiefsten Süden Brasiliens? Das liegt daran, dass São Leopoldo – am Fuße der „Serra Gaúcha“ – als „Wiege der deutschen Einwanderung“ in Brasilien gilt. 39 Migranten gründeten hier vor mehr als 200 Jahren die erste dauerhafte Niederlassung deutschsprachiger Einwander. Viele Bewohner haben noch Bezug zur Heimat der Vorfahren.

Auch Adriana Höppner, an deren Hotelempfang Rezeptionist Eduardo in Tracht die Gäste empfängt. Ihre Großmutter Ritta, Namensgeberin des Hotels, kam als Deutsch-Brasilianerin in Rio Grande do Sul zur Welt. Als Kind wurde Ritta nach Deutschland geschickt, dort erzogen. Mit Mann Otto Höppner und Sohn Heino – Adrianas Vater – kehrte sie später wieder nach Brasilien zurück. „Das war sehr schwierig für sie“, sagt Adriana Höppner bei Kartoffelsuppe im Hotelrestaurant. „Anfangs führten sie eine Pension in Gramado, sparten jeden Cent, kauften irgendwann Grund, um dann Chalets im Stil deutscher und Schweizer Bergorte zu errichten.“

Es hört sich an wie der Versuch, sich in Brasilien ein Stück Heimat aufzubauen. Adriana Höppner nickt. Auch sie durfte mit ihrer Familie immer wieder nach Deutschland reisen. „Wir waren vor allem viel in Füssen, wo Freunde von uns ein Hotel betreiben. Ich denke, daher habe ich auch meine große Begeisterung für Bayern.“ Sie deutet auf ein Foto von Neuschwanstein und eine Edelweiß-Dekoration. Die nächsten Flugtickets seien schon wieder gekauft. „Wir wollen Schnee sehen.“ Dann fragt sie nach den besten Christkindlmärkten in München. Auch die stehen längst ganz oben auf ihrer Liste.

Ob die dem Weihnachtsmarkt in Gramado ähneln? „In der Weihnachtszeit verändert sich unsere Stadt komplett. Wobei Weihnachtszeit sehr weit gegriffen ist. Wir haben mit ‚Natal Luz‘ praktisch drei Monate Weihnachten“, lacht Höppner. Während „Natal Luz“, Gramados Weihnachtsspektakel mit Umzügen und Shows, wird die ganze Stadt in einen weihnachtlichen Themenpark verwandelt.

„‚Natal Luz‘ ist nicht nur das größte Weihnachtsevent Brasiliens, sondern auch eines der größten der Welt“, zeigt sich Rosa Helena Volk, Präsidentin von „Gramdotur“, stolz. „In diesem Jahr, bei der 40. Ausgabe, feiern wir 88 Tage, jeden Tag finden andere Veranstaltungen statt.“ Doch sie weist auch gleich darauf hin, dass sich ein Besuch in Gramado nicht nur an Weihnachten lohnt: Hier sei rund ums Jahr was geboten. Brasilianer lieben dieses Stückchen Europa in ihrem eigenen Land. Sie flanieren gerne die eleganten Shoppingstraßen entlang, kaufen Schokolade und Wein, gönnen sich ein üppiges Frühstück – nach Art der Einwanderer – und treffen sich abends zum Schweizer Fondue.

Perfekt für die Gesamtstimmung, wenn die Temperatur dann auch noch unter zehn Grad fällt. Was auf der Südhalbkugel immer mal im Juli der Fall ist. Dann knipsen sich Besucher vor dem großen Thermometer mitten in Gramado. Fällt in der „Serra Gaúcha“ dann auch noch Schnee, wie dieses Jahr bereits passiert, ist das Glück perfekt.

Etwa für Thais und Ruan aus Recife im Nordosten Brasiliens. „Wir haben dort immer Wärme und Meer, wohnen am Strand. Hier zu sein, ist großartig. Es gefällt einem ja immer das Gegenteil von dem, was man kennt.“

Martina Farmbauer

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