Altenheim Maria Stern – vertrag wird nicht verlängert

Der Burgfrieden hat ein Ende

von Redaktion

Versteinerte Mienen am Ende: Die Stiftung Attl wird unter den jetzigen Vorzeichen den Altenheimvertrag auf der Burg nicht über 2021 hinaus verlängern. Bis dahin soll eine Alternative gefunden oder entstanden sein. Die Bewohner werden nicht auf der Straße stehen, versprachen Jonas Glonnegger und Franz Hartl, die Stiftungsvorsitzenden.

Wasserburg – Schon bei der kurzen Tour durch das Altenheim auf der Burg hatte es immer wieder hochgezogene Augenbrauen, Kopfschütteln oder „Das darf nicht wahr sein“ gegeben, je nach Temperament der Stadtratsmitglieder. Bei den Informationen der Vorstände der Stiftung Attl, Jonas Glonnegger und Franz Hartl, im Rittersaal wurde es kaum besser. Die beiden hatten den Stadtrat eingeladen, damit sich die Kommunalpolitiker zum einen selber ein Bild machen konnten, und ihnen zum anderen zu erklären, dass die immer wieder auch öffentlich geäußerten Mängel nicht einfach Wünsche sind, sondern gesetzliche Vorgaben.

2006 mietete die Stiftung Attl das Altenheim Maria Stern von den neuen Besitzern der Burg, der Kreishandwerkerschaft. Wohl wissend, dass ein jahrhundertealtes Gebäude andere Arbeitsweisen und mehr Personalaufwand erfordert, als ein neu gebautes Altenheim. Nicht wissend, dass einerseits fünf Jahre später eine Gesetzesneuerung die Lage verschärfen würde und wie sich andererseits die Chemie zwischen Vermieter und Mieter entwickeln würde.

Das Pflege- und Wohnqualitätsgesetz regelt unter anderem die baulichen Anforderungen an ein Altenheim, die Fristen zur Angleichung sowie die Befreiungen und Abweichungen von baulichen Mindestanforderungen. Zu diesen Mindestanforderungen gehört, dass Räume barrierefrei erreicht und genutzt werden können. Da passt es nicht ins Bild, dass der einzige Aufzug, der hinunter bis zum Garten führt, seit Mitte Dezember defekt ist.

66 Zimmer auf der Burg nicht barrierefrei

Bei entsprechender Schwere der Behinderung müssen Wohnplätze und Sanitärräume uneingeschränkt mit dem Rollstuhl zu erreichen sein. Einzelzimmer müssen mindestens 14 Quadratmeter groß sein, Doppelzimmer 20 Quadratmeter. Ein direkter Zugang oder Zugang über einen Vorraum zu einem Bad sind ebenfalls vorgeschrieben. Da sei die FQA – früher „Heimaufsicht“ – angesichts der mittelalterlichen Burg relativ großzügig und der Stiftung Attl wohlgesonnen, so Jonas Glonnegger, gestatte immer wieder Ausnahmen. Aktuell haben auf der Burg 20 Zimmer kein eigenes Bad, barrierefrei ist keines der 66 Zimmer.

Die Abweichungen zu den Vorschriften des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes hat die Stiftung Attl laut Glonnegger 2015 auf 300 Seiten detailliert erfasst. 2016 lief die Angleichungsfrist ab, ein Antrag auf längere Fristen zur Angleichung oder gar auf Befreiung von den Vorgaben kann gestellt werden – und wird bei der denkmalgeschützten Burg wohl gewährt. Die Begründung muss – abgestimmt mit dem Denkmalschutz – von der Kreishandwerkerschaft als Eigentümerin der Burg verfasst werden. Wurde sie laut Stiftung Attl bis heute nicht. Was zum Erlöschen der Betriebserlaubnis führen könnte.

Bereits im September 2015 hatte die Stiftung Attl der Kreishandwerkerschaft zur Zukunft des Altenheims geschrieben: „Aus unserer Sicht gibt es für den langfristigen Weiterbetrieb erhebliche Einschränkungen. Wir wollen deshalb frühzeitig darauf hinweisen, dass wir die Trägerschaft unter den jetzigen Rahmenbedingungen nicht mehr weiterführen können. Wir sind uns sehr wohl über die Bedeutung und Verantwortung des Altenheimes auf der Burg, den Bewohnern und unseren Mitarbeitern gegenüber bewusst. Gerade deshalb melden wir jetzt den Änderungsbedarf an, um eine langfristige Perspektive zu eröffnen.“

Als ein knappes Jahr später Jonas Glonnegger den zweiten Vorstandssitz bei der Stiftung Attl übernahm, versuchte er, diplomatischer veranlagt als sein Kollege Hartl und außerdem unbelastet, das Verhältnis zwischen Eigentümer und Betreiber des Altenheims zu entspannen, die nötigen Sanierungsmaßnahmen voranzubringen. „Ich bin auch gescheitert“, räumt er im Rückblick ein.

Erschwerend hinzu kommt, dass das Altenheim auf der Burg aufgrund der räumlichen Gegebenheiten ein Zuschussbetrieb ist. Mindestens vier Planstellen, die nötig sind, sind nicht refinanziert, die Stiftung Attl macht jedes Jahr ein sechsstelliges Defizit auf der Burg. „Wenn ansonsten alles ideal liefe, könnten wir schauen, dass wir das Defizit so gering wie möglich halten und die Burg weiter betreiben“, so Franz Hartl, „aber so…?“

Hartl und Glonnegger sind sich einig: Sie wollen für die Stiftung Attl das Angebot der Betreuung älterer und alter Menschen eher ausbauen, auch wenn Maria Stern für sie keine Zukunft hat. Ein stationäres Angebot – sprich ein Alten- und Pflegeheim – soll es weiter geben, gemeinsam mit dem Caritasverband wolle die Stiftung Attl nach zukunftsgerichteten Kooperationsmöglichkeiten suchen. Deswegen müssen sich auch die Angehörigen der Bewohner der Burg keine Sorgen machen, dass ihre Lieben irgendwann nicht versorgt sein werden. Zum einen ist es noch fast vier Jahre hin, bis der Vertrag zwischen Attl und der Kreishandwerkerschaft ausläuft, zum anderen soll bis dahin ein neues Domizil parat stehen.

„Wir sind und bleiben verlässliche Partner für die Stadt“

Stiftungsvorstand Jonas Glonnegger

Die Stiftung Attl denkt aber auch über Tages- und Nachtpflege nach, über ambulante Pflege, über Angebote für Menschen mit Demenz und über betreutes Wohnen. Da will man sich aber nicht nur mit der Caritas abstimmen, sondern ganz eng auch mit der Stadt Wasserburg, „Wir sind und bleiben verlässliche Partner für die Stadt“, versicherte Jonas Glonnegger den Kommunalpolitikern.

Ob die Burg über Ende 2021 hinaus Altenheim bleiben wird, das hängt maßgeblich am Eigentümer der Burg. Denn der muss die baulichen Voraussetzungen schaffen. Zügig. Wenn die Betriebserlaubnis für das Altenheim einmal weg ist, wird es keine neue mehr geben. Und dann? Hotel, Jugendherberge, Wohnungen…

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