Teheran – Frauen zünden öffentlich ihre Kopftücher an. Männer verprügeln Polizisten, weil sie Demonstrationen filmen. Nachdem die jungen Kurdin Jina Mahsa Amini nach einer´Festnahme gestorben ist, entlädt sich im Iran die angestaute Wut hunderttausender Menschen auf den Straßen.
Amini war am 13. September wegen des Vorwurfs festgenommen worden, das islamische Kopftuch nicht den strikten Vorschriften entsprechend getragen zu haben. Nach ihrer Festnahme brach sie unter ungeklärten Umständen auf der Polizeiwache zusammen und starb drei Tage später im Krankenhaus. Aminis im Irak lebender Cousin sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Ärzte hätten der Familie im Krankenhaus mitgeteilt, Amini habe „einen heftigen Schlag auf den Kopf“ bekommen. Für viele Iraner ist das nicht mehr hinnehmbar.
Am Dienstagabend hatte es in der zwölften Nacht in Folge Proteste in mehreren iranischen Städten gegeben. Frauen nahmen erneut die vorgeschriebenen Kopftücher ab, wütende Demonstranten zündeten Mülltonnen an und forderten, das bestehende System zu stürzen. Sie riefen „Frauen, Leben, Freiheit“, oder auch „Tod dem Diktator!“ – eine Anspielung auf den Religionsführer Ali Chamenei. Das bleibt nicht unbeantwortet: Mehr als 1200 Leute wurden schon festgenommen. Darunter auch Faeseh Haschemi, die Tochter von Irans Ex-Präsidenten Ali Akbar Haschemi-Rafsandschani. Die bekannte Frauenrechtlerin habe Frauen zur Teilnahme an den Protesten motiviert. Das zähle schon als Straftat.
Bei den Demonstrationen sind auch mehrere Iraner ums Leben gekommen. UN-Generalsekretär António Guterres appellierte an die iranische Regierung, auf „unverhältnismäßige Gewalt“ gegen Demonstranten zu verzichten. Die Antwort: Die Polizei kündigte ein verschärftes Vorgehen gegen die Demonstranten an. Die iranische Polizeiführung erklärte nach Angaben der Nachrichtenagentur Fars: „Heute versuchen die Feinde der Islamischen Republik des Iran und einige Randalierer, die Ordnung, Sicherheit und das Wohlergehen der Nation unter jedem Vorwand zu stören“. Die Polizeibeamten würden „sich den Verschwörungen der Konterrevolutionäre und feindlichen Elemente mit aller Kraft entgegenstellen“ und „entschieden gegen diejenigen vorgehen, die die öffentliche Ordnung und Sicherheit“ im Land störten.
Ein Sprecher von UN-Generalsekretär Guterres erklärte: „Wir sind zunehmend besorgt über Berichte über einen Anstieg der Todesfälle im Zusammenhang mit den Protesten, darunter Frauen und Kinder.“ Die Bundesregierung hat die Menschenrechtslage im Iran als dramatisch bezeichnet. Das Auswärtige Amt verschärfte seine Reisehinweise, von Reisen in den Iran werde dringend abgeraten. Die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Luise Amtsberg (Grüne), sagte, Aminis Tod führe „schonungslos die dramatische Menschenrechtslage in Iran vor Augen.“