Letzte Ruhe im Bücherregal

von Redaktion

Die Urnenbestattung wird immer beliebter. © KNA

Bonn – Einäscherungen und Urnenbeisetzungen werden hierzulande immer beliebter. Bestattungen im Friedwald und auf See sind schon länger möglich; nun haben Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt als erste Bundesländer die bis dahin geltende Friedhofspflicht stark gelockert: Flussbestattungen auf Rhein, Mosel und Nahe sind damit ebenso erlaubt wie die Verarbeitung der Asche zu einem Diamanten. Auch kann eine Urne nun auf dem heimischen Kaminsims verwahrt werden. Was die einen freut, bereitet anderen Bauchschmerzen. Denn: Darf man alles, was technisch geht?

„Asche gehört auf den Friedhof“, sagt der Mechernicher Bestatter Matthias Scharlau. Auch mit der Beisetzung im Friedwald, auf See oder auch Flüssen ist er einverstanden. Bei rund einem Viertel aller Todesfälle gebe es Konflikte unter den Angehörigen, beobachtet Scharlau: „Erben streiten sich wie die Kesselflicker“. Regelungen, die sich von der Friedhofspflicht verabschieden, sieht er deshalb sehr kritisch. Er befürchtet ein unwürdiges Gezerre darum, wo die sterblichen Überreste einer Person verbleiben sollten. „Die Urne als Waffe ist mir ein Graus.“

Noch etwas spricht aus seiner Sicht gegen die Aufbewahrung des Gefäßes im privaten Umfeld: die Unsicherheit über deren dauerhaften Verbleib. Was etwa passiere, wenn die Urne des Mannes bei einer betagten Witwe auf dem Kaminsims steht? Nach deren Tod könne nicht ausgeschlossen werden, „dass der Entrümpelungsdienst die Asche zum Sperrmüll bringt“. Diese Vorstellung ist für Scharlau ein Unding. „Die Würde des Menschen endet nicht mit dem Tod; sie muss bei allen technischen Vorgängen gewahrt werden und gilt auch für die Asche“, stellt er klar.

Die Lockerung um die Friedhofspflicht erregt die Gemüter. Kirchliche Stimmen mahnen, dass Gräber und Friedhöfe Orte der Erinnerung seien – und wichtig für die Trauerverarbeitung. Günter Czasny, Sprecher der Initiative „Raum für Trauer“, warnt, dass durch die neue Regelung „sterbliche Überreste von Menschen auch einfach verschwinden können“. Durch das neue Bestattungsgesetz würden keine neuen Formen der Trauer geschaffen, vielmehr würden diese durch die Verlagerung in den privaten Raum „massiv eingegrenzt“.

Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) – von der CDU-Opposition als „Totengräber der Friedhöfe“ tituliert – sieht die Neuregelung indes als Möglichkeit, die Friedhofskultur zu erhalten und gleichzeitig „neue Räume für eine individuelle Form der Bestattung“ zu ermöglichen.

So ist es in Sachsen-Anhalt seit diesem Herbst möglich, aus der Asche einen Diamanten anfertigen zu lassen, der beispielsweise als Ring oder Amulett getragen werden kann.

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