Zoe Stephens führt Touristinnen durch Afghanistan. © dpa
Kabul – Eine Gruppe bärtiger und bewaffneter Männer steht hinter drei Menschen, denen ein schwarzer Sack über den Kopf gezogen wurde. „America, we have one message for you“ („Amerika, wir haben eine Botschaft für Euch“), sagen sie in die Kamera, bevor sich einer von ihnen in einer bedrohlich wirkenden Geste über einen der Knienden beugt und den Sack wegzieht. Zum Vorschein kommt ein junger, westlicher Mann mit strahlendem Lächeln. „Welcome to Afghanistan“, sagt er in dem Video, das in Sozialen Medien kursiert.
Ins Netz gestellt wurde diese grotesk anmutende Szene von einem Mann, der sich Jake nennt. Er ist durch Afghanistan gereist und teilt nun Aufnahmen dazu im Internet. Jake ist nicht der Einzige, der mit Reisevideos aus dem Land Aufmerksamkeit auf sich zieht. Vom Leid der afghanischen Frauen, denen unter den Taliban der Zugang zu höherer Bildung und vielen Berufen versperrt ist, sieht man in vielen Videos der sogenannten Reise-Influencer oft nichts.
Seit der erneuten Machtübernahme der islamistischen Taliban im August 2021 kommen wieder vermehrt Touristen nach Afghanistan. Während Kritiker, Aktivisten oder Journalisten unter den neuen Herrschern in Gefahr sind, können ausländische Besucher seit Jahrzehnten erstmals wieder Orte bereisen, die davor aufgrund von Kriegen kaum zugänglich waren.
„Letztes Jahr hatten wir noch 8000 ausländische Touristen in dem Land“, sagt der Sprecher des Informations- und Kulturministeriums in Kabul, Kari Chubaib Rufran. „Dieses Jahr waren es allein in den ersten sechs Monaten schon 7000.“ Viele davon kämen aus westlichen Staaten.
Während die Taliban mit ihrer systematischen Beschneidung von Frauenrechten weltweit für Empörung sorgen, hoffen sie, durch den Tourismus ihr Bild in der Welt aufzubessern. Die Leute sollen sehen, dass das Land sicher sei, so Ministeriumssprecher Rufran.
Die Taliban, die 2001 mit der Sprengung der riesigen Buddha-Statuen im zentralafghanischen Bamian-Tal noch weltweit für Empörung sorgten, werben mittlerweile mit der jahrtausendealten Kultur ihres Landes. Dazu gehört auch Afghanistans reiches vorislamisches Erbe – Buddhismus, Zarathustra, Hinduismus, sie alle haben am Hindukusch ihre Spuren hinterlassen.
Touristen können heute bei den Taliban Tickets erwerben, um die Überbleibsel der riesigen, in die Felswand gemeißelten Buddha-Statuen zu besuchen. Auch die Synagoge in der historischen Stadt Herat im Westen des Landes sei offen für Touristen, erzählt der Sprecher des Kulturministeriums in der Provinz.
Das Auswärtige Amt rät nach wie vor von Reisen nach Afghanistan ab. „Vor Reisen nach Afghanistan wird gewarnt. Deutsche Staatsangehörige werden aufgefordert, Afghanistan zu verlassen“, heißt es auf der Internetseite.