Gerd lässt die Puppe sprechen

von Redaktion

Familienunternehmer Maas aus Wasserburg lehrt auf Youtube Wirtschaftsethik

Wasserburg – „Let´s talk about ethics, baby“, sagt der Gerd und legt los – mit seiner ganz persönlichen Interpretation der Sozialen Marktwirtschaft. Jeans, Hemd und Weste, auf der Nase eine Brille mit runden Gläsern, hohe Stirn: Die Puppe, die ein Youtube-Star werden möchte, hat eine erstaunliche Ähnlichkeit mit Gerd Maas, Familienunternehmer aus Wasserburg. Das ist gewollt, denn hinter Gerd steckt Gerd. Er lässt die Puppe sprechen – für sein Lieblingsthema Wirtschaftsethik.

Bisher hat Maas darüber publiziert und doziert – unter anderem an der Hochschule der Bayerischen Wirtschaft (HDBW). Beim Verband der Familienunternehmen leitet er seit 2016 die Bundeskommission „Wirtschaftsethik“.

Alter Ego am Spielstab

In seinem eigenen Studium hat Maas der große Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard, fasziniert. Er widme sich schließlich dem ordnungspolitischen Ziel der Wirtschaft, „dass es den Menschen gut geht“. Lässt sich eine große ethische Frage, deren Antwort auf kompliziert erscheinenden wirtschaftspolitischen Zusammenhängen basiert, wirklich so einfach rüberbringen? Maas versucht es mit seinem Alter Ego in Form einer Handpuppe.

Eigentlich wollte der renommierte Publizist ein Lehr- und Sachbuch zur Wirtschaftsethik schreiben. Doch als User der sozialen Netzwerke, denen er wohlwollend, aber auch kritisch gegenübersteht, kam ihm die Idee, es im Netz zu versuchen. „Ich bin ja eh ein eher extrovertierter Typ“, sagt der 54-jährige Projektdienstleister. Er hat schon Theater gespielt, ist vielbeschäftigter Moderator – unter anderem bei der Verleihung des Meggle-Gründerpreises. Eigentlich, sagt er, ist das Schreiben im stillen Kämmerlein gar nicht so sehr seine Sache. Ihn faszinieren außerdem die Chancen, die Youtube, Facebook, Instagram und Tik Tok bieten. Also fiel, nach einer Konferenz mit der Familie, die beim Familienunternehmer Maas immer mit am Tisch sitzt, die Entscheidung, nicht 300 Seiten zu schreiben, sondern die Kapitel in Video-Häppchen aufzuteilen.

Selber auftreten als „Youtube-Star“ vor der eigenen Kamera, das wollte er dann doch nicht. Auf der Suche nach einem Ersatz kam Maas, der sich selbst der Generation „Muppets“ zuordnet, die Idee einer Handpuppe, die er sprechen lässt. Doch die Umsetzung erwies sich als schwierig: Im Theaterbereich gibt es viele Anbieter, die Figuren seien jedoch oft extrem kunstvoll. Maas wollte stattdessen eine personifizierte Puppe – „um zu sein und doch nicht zu sein“, wie er erklärt. Schließlich wurde er im Internet fündig: Eine amerikanische Firma schuf sein Ebenbild. Als die Puppe schließlich einzog ins Haus der Maas in Wasserburg, wo sie oft mit am Küchentisch sitzt oder im Büro auf dem Schreibtisch thront, begann die zweite schwierige Phase. Maas musste üben, seinen Gerd am Spielstab in der Hand richtig zu bewegen, Kamera- und Tontechnik erlernen, Sets aussuchen und gestalten.

So manchen Dreh hat er anfangs „wieder in die Tonne getreten“. Doch als endlich der erste Clip fertiggestellt war und die Manöverkritik sowohl bei Ehefrau Heike, als auch bei den Studierenden positiv ausgefallen war, fiel die Entscheidung: Der Gerd geht in Serie auf einem eigenen Youtube-Kanal. Auch auf Facebook und Instagram philosophiert die Puppe in Videoclips über Wirtschaftsethik. Mittlerweile hat Maas eine „schöne, wenn auch noch kleine Community“, die ihm, pardon, seiner Puppe, folgt.

Der Gerd spricht über wirtschaftspolitische Zusammenhänge und nimmt auch spontan in Kurzclips aktuelle Themen auf: das Händeschütteln beispielsweise, seit Beginn der Pandemie verpönt, in den Augen von Maas jedoch ein schützenswertes Kulturgut, das Absprachen – auch unter Geschäftsleuten – eine Verbindlichkeit verleiht.

Ein Jahr will sich der Erfinder geben, alle zwei Wochen eine neue Folge online stellen – und dann Bilanz ziehen, ob das neue Format die Menschen – Studierende ebenso wie wirtschaftspolitisch Interessierte – auch erreicht. Denn: „Tiefe kann man nicht flach machen“, bringt der Unternehmer die Tatsache auf den Punkt, dass Wirtschaftsethik ein komplexes Thema ist und nicht trivialisiert werden kann – auch nicht in sozialen Netzwerken.

Einsatz für den ehrbaren Kaufmann

Doch Maas ist überzeugt, dass wirtschaftliche Zusammenhänge auch außerhalb staubtrockener Theorie vermittelt werden kann – und sogar muss. Denn er hat eine Mission: Der Einsatz für die Soziale Marktwirtschaft ist für ihn „pure Zukunftsvorsorge“ – erst recht in einer Zeit, in der seiner Meinung nach oft nach neuen Reglementierungen gegriffen werde. Und schon kommt er wieder ins Spiel, Maas Vorbild Ludwig Erhard, der Freiheit und Eigenverantwortung hochgehalten und der sich stets dafür eingesetzt habe, dass die Politik einen ordnungspolitischen Rahmen setze, aber nicht dirigistisch eingreife – „und den Unternehmer als Person begreift, der unternimmt“. Die Idee des ehrbaren Kaufmanns ist für Maas hochaktuell, das Menschenbild Erhards vom eigenverantwortlich handelnden Staatsbürger ebenso. „Ohne Wirtschaft kein Leben“, bringt Maas es auf den Punkt. Besser hätte es der Gerd nicht sagen können.

Lehrbeauftragte Julia Drexler: „Es geht auch darum, wie wir wirtschaften“

Wirtschaftsethik spiele auch an der Technischen Hochschule Rosenheim in der Fakultät für Betriebswirtschaft eine bedeutende Rolle, erklärt Julia Drexler, Lehrbeauftragte für Nachhaltigkeit und Wirtschaftsethik. Letztere ist nach ihren Angaben sogar Teil der Grundlagenlehre, also verpflichtend für alle Studierenden, auch für die Teilnehmer an der Academy for Professionals. Wirtschaftsethik könne außerdem als Wahlfach genommen werden – fließe ein in Seminare, Fallstudien sowie in Bachelorarbeiten. Das Interesse der Studierenden an dieser Thematik ist in den vergangenen Jahren nach Erfahrungen von Drexler stark gestiegen. Ein neues Bewusstsein dafür, dass Gewinn und Ethik sich nicht ausschließen müssen, habe sich entwickelt. Auch das Bild des BWLers habe sich verändert: Absolventinnen und Absolventen würden nicht mehr als rein gewinnorientiert Denkende betrachtet, „denn viele gehen anders – das heißt auch mit dem Fokus der Nachhaltigkeit – an wirtschaftliche Themen heran.“ Zahlreiche neue Start-ups seien auch mit ethischem Denken – wenn nicht sogar des wegen – erfolgreich.

Drexler lehrt vor allem, in drei Dimensionen zu denken: Das Handeln auf die ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen zu überprüfen. Das heißt für sie: Verantwortung übernehmen. Denn: „Es geht nicht ohne Wirtschaft – doch es geht auch darum, wie wir wirtschaften.“ Die rein ökonomische Betrachtung sei nicht mehr zeitgemäß. Deshalb sei auch das Bild des ehrbaren Kaufmanns wieder hochaktuell. duc

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