Pfaffing – Ein Lagerhaus aus den 70er-Jahren, „versteckt“ hinter einer modernen vorgesetzten Holzfassade: An der Pfaffinger Hauptstraße liegt die „Denkfabrik“ von Kammerl & Kollegen. Viele Bauvorhaben, die die 22 Mitarbeitenden hier entwickelt haben, sind preisgekrönt: Seit 1998 gibt es kaum ein Jahr ohne Auszeichnung oder preisverdächtige Teilnahme an einem Wettbewerb.
Trotzdem legt Inhaber Eik Kammerl, seit 2005 Geschäftsführer, Wert auf die Feststellung, dass es zwar auch, aber nicht in erster Linie darum gehe, möglichst komplizierte, aufwendige Projekte mit großer öffentlicher Wirkung wie den Neubau des 16 Stockwerke umfassenden Ingolstädter Hauptbahnhofs zu verwirklichen: „Uns ist kein Vorhaben zu groß, aber auch keines zu klein.“ Die Bandbreite reiche vom „normalen“ Einfamilien- bis zum Hochhaus.
Architektur, die in
keine Schublade passt
Auch bei der Art der Leistungen will sich das Büro nicht in eine Schublade stecken lassen: Kammerl & Kollegen bauen nach eigenen Angaben um und sanieren, sie bauen neu und experimentell. Denn: „Wir denken nicht ideologisch“, bringt Eik Kammerl die Herangehensweise auf den Punkt. Deshalb setze sein Büro oft auf die Hybrid-Bauweise: mit einer 80:20-Prozent-Mischung bei den Baustoffen Holz und Beton. Auf den traditionellen Baustoff Beton würden die hoch beanspruchten Teile bauen. Ansonsten laute das Prinzip: so wenig Beton und Stahl wie möglich.
Eik Kammerl, 54, ist trotz großer Freude am Neubau ein leidenschaftlicher Verfechter der Altbausanierung. Der Firmensitz, das frühere BayWa-Lagerhaus an der Hauptstraße von Pfaffing, das sein Vater, ein Innenarchitekt, in den 70er-Jahren gekauft hat und das derzeit energetisch modernisiert wird, ist ein Beispiel. Oder das denkmalgeschützte Taufkirchen-Palais am Stadtplatz von Burghausen, das bis ins 13. Jahrhundert zurückgeht.
Ein Herz für
alte Bauten
Kammerl & Kollegen bekamen für die Sanierung den Fassadenpreis von Burghausen, das Denkmal, das heute Wohnungen, Gastronomie und Büros bietet, wurde in die Architekturen 2019 aufgenommen. „Weg damit“ und lieber neu bauen, am besten auf der grünen Wiese, das ist für Eik Kammerl keine Option, bekräftigt er.
„Was 500 Jahre gut war, kann nach einer Sanierung weitere 500 Jahre gut dastehen“, findet er. Auch in Wasserburg habe sein Büro schon oft bewiesen, dass es mit diesem Weg richtig gehe: Hier wurden mehrere Altstadthäuser unter der Leitung von Kammerl & Kollegen saniert.
Bauen im Bestand
undNachverdichtung
Überhaupt ist das Bauen im Bestand die Lösung der Zeit, findet Projektantin Barbara Kollmeier (55). Sanieren muss auch nach ihren Erfahrungen nicht zwingend komplexer und teurer sein als neu bauen. Beispiele wie das 200 Jahre alte „Bader-Häusl“ in Reichertsheim würden beweisen, dass sich auch das Umbauen im Bestand finanziell rechne. Es müsse auch nicht immer ein großzügiges freies Grundstück sein oder ein Bauplatz auf der grünen Wiese. Auch Nachverdichtung mache Sinn, ökologisch sowieso und auch optisch, wie das Beispiel des jüngsten, preisgekrönten Kammerl-&-Kollegen-Vorhaben beweise: die Heilpädagogische Tagesstätte Haar, ausgezeichnet von der Bayerischen Architektenkammer und von Staatsministerin Ulrike Scharf. Sie lobt nicht nur die „nachhaltige Bauweise“ mit Wärmepumpe und Solarmodulen, sondern auch den Inklusionscharakter des Objekts, „ein Ort ohne Barrieren“, so Scharf. Der längliche Holzkubus wurde in den Garten eines Ensembles aus Kirche und Pfarrhaus integriert.
Etwa 40 Prozent aller Aufträge sind bei Kammerl & Kollegen mittlerweile Sanierungen. Tendenz steigend. 90 Prozent aller Aufträge kommen nach Angaben des Büros direkt rein über die Weitervermittlung zufriedener Kunden. Deshalb treffe die Krise in der Baubranche bisher Kammerl & Kollegen kaum. Eik Kammerl bemerkt nach eigenen Angaben zwar, „dass alle Marktteilnehmer vorsichtiger geworden sind“. Die Zeiten der überhitzten Nachfrage seien vorbei, die Rahmenbedingungen schwieriger geworden angesichts von Lieferengpässen, Personalmangel und gestiegenen Zinsen sowie Rohstoffpreisen.
Noch sind die
Auftragsbücher voll
Doch in seinem Haus seien die Auftragsbücher nach wie vor voll, die Auslastung nur von 150 auf 100 Prozent zurückgegangen. „Es passt“, wie der Geschäftsführer sagt. 2,5 bis drei Millionen Umsatz im Jahr verbucht das Büro nach seinen Angaben (Honorarsumme), bei einem realisierten Bauvolumen, das etwa zehnmal so hoch sei. Zu 95 Prozent begleiten Kammerl & Kollegen alle Leistungsphasen eines Bauvorhabens: von der Beratung bis zur Entwicklung, von der Ausschreibung bis zur Bauleitung, berichten stellvertretend für das Team Eik Kammerl, Magdalena Breu und Barbara Kollmeier.
Trotzdem gibt es Rahmenbedingungen in der kriselnden Branche, die auch dem Pfaffinger Team aus Architekten, Innenarchitekten, Ingenieuren und Bautechnikern zu schaffen machen.
Kritik an zu
strikten Vorgaben
Gestiegene Holzpreise, weil als Folge des Angriffskriegs auf die Ukraine die Rohstoffe aus Russland abgehen, der Wust an bürokratischen Auflagen beim Bauen etwa in puncto Brand- und Schallschutz, überzogene EU-Normen, bei denen Deutschland zur Übererfüllung neige, die Notwendigkeit, öffentlich bestellte Sachverständige einzuschalten, die die Kosten oft in die Höhe schnellen lassen würden, viel zu langsame Prüfverfahren, zählen Eik Kammerl, Barbara Kollmeier und Magdalena Breu auf.
Sie stören sich auch an strikten Vorgaben wie die noch immer sehr präsenten Stellplatzschlüssel (“bauen wir nur für Autos?“). Und an Ausschreibungen für öffentliche Vergabeverfahren, bei denen der Regionalfaktor eines örtlichen Anbieters oft nur eine untergeordnete Rolle spiele. Dass ein Feuerwehrhaus wie jenes in Wasserburg europaweit ausgeschrieben werden muss, mache keinen Sinn. Denn dieses Bauvorhaben sei kein Hexenwerk, ein lokaler Anbieter ein Korrektiv, das besser funktioniere als ein Unternehmer aus Hamburg.