München – Früher brauchte der Nutzfahrzeug- und Maschinenbaukonzern MAN das internationale Kongresszentrum am Messegelände, um seine Aktionäre unterzubringen. Im letzten Jahr fand erstmals die Hauptversammlung im viel kleineren unternehmenseigenen Truck Forum direkt am Werk statt, und gestern blieb auch darin noch viel Platz, um Laster und Schiffsmotoren großzügig auszustellen. Es gibt nicht mehr viel zu entscheiden für die kleinen Anteilseigner des ältesten deutschen Industrie-Unternehmens, das ja von Volkswagen beherrscht wird. Darum bleiben viele weg.
Entscheidungen fallen hinter den Kulissen. Manches, was im Truck Forum zu sehen ist, wird bald nicht mehr dazugehören: Etwa der Nachbau des ersten von Rudolf Diesel konstruierten Motors. Denn der entstand in der Maschinenfabrik Augsburg, die sich später mit der Nürnberger Maschinenfabrik Klett & Comp. zur Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) zusammenschloss.
Noch heute werden im altehrwürdigen Augsburger Werk Motoren für Kreuzfahrtschiffe und Gaskraftwerke gebaut. Doch für diese Aktivitäten wird im neuen Konzern kein Platz mehr sein, wenn MAN und Scania zum geplanten kapitalmarktfähigen Nutzfahrzeug-Imperium unter dem VW-Dach werden.
Das klang alles gestern noch etwas nebulös aus dem Mund des MAN-Chefs Joachim Drees: „Für sogenannte Nicht-Kerngeschäfte wie MAN Diesel & Turbo und Renk hat der Volkswagen-Konzern angekündigt, nachhaltige Zukunftsperspektiven zu erarbeiten“, sagte er. Und als die Kleinaktionärs-Sprecher Ines Straubinger (DSW) und Michael Siegle (SdK), mehr wissen wollten, verwies Drees pauschal auf „unseren Gesellschafter“ (Volkswagen), und fügte jeweils hinzu: „Seitens der MAN selbst gibt es keine konkreten Pläne“.
Zwar war gestern auch der strategische Kopf hinter all den Plänen dabei: Andreas Renschler, Nutzfahrzeugvorstand von Volkswagen. Aber nicht in dieser Funktion, sondern als Aufsichtsratsvorsitzender von MAN. Und weil er da, wie er sagte, klar trennen will, blieb auch er die Antworten schuldig.
Doch immer mehr zeichnet sich ab: Das Kalkül mehrerer Betriebsräte der betroffenen MAN-Werke wird nicht aufgehen. Sie hofften, als Renschlers Pläne erstmals die Runde machten, auf eine sichere Zukunft im arbeitnehmervertreter-freundlichen VW-Konzern.
Inzwischen spricht weitaus mehr dafür, dass VW sich aufmittlere Sicht von diesen Aktivitäten trennen wird. Das muss für die „Nicht-Kerngeschäfte“ kein Nachteil sein. Denn potenzielle Käufer dürften Schlange stehen. Die MAN-Tochter Renk – sie baut Großgetriebe etwa für Windkraftanlagen oder den Kampfpanzer Leopard 2 – gilt als Ertragsperle, die im letzten Jahr 12,8 Prozent ihres Umsatzes als operatives Ergebnis abwarf. Und auch die Motorensparte MAN Turbo & Diesel liegt nach zehn Krisenjahren mit einer Umsatzrendite von 5,9 Prozent wieder vor MAN Truck & Bus (5,3 Prozent).
Eigentlich sollte es die kleinen Aktionäre beunruhigen, wenn ihr Unternehmen sich von den gewinnbringenden Aktivitäten trennen will. Doch das kann den immer noch 25 Prozent Alt-Aktionären von MAN nichts anhaben. Für sie gibt es seit dem Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag 2014 keine gewinnabhängige Dividende mehr. Sie bekommen stattdessen eine Barausgleichszahlung, die für alle Zeiten festgeschrieben ist: 3,07 Euro pro Aktie.
Und Volkswagen denkt ohnehin in langfristigen strategischen Dimensionen. Nachdem die Tochterunternehmen MAN und Scania ihren jahrelangen Kleinkrieg nun offenbar begraben haben, könnten die Pläne aufgehen, bei gemeinsamem Einkauf und einer gemeinsamen Entwicklung Kosten zu sparen und die Rendite spürbar zu steigern. Außerdem hat Volkswagen mit dem US-Partner Navistar inzwischen auch einen Fuß im für MAN lange unerreichbaren US-Nutzfahrzeug-Geschäft.