Deutschland braucht digitalen Neustart

von Redaktion

Die heimische IT-Branche wächst wie keine andere – und dennoch zu langsam. International fällt Deutschland digital immer weiter zurück. Der IT-Branchenverband Bitkom warnt.

VON THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

München – Die gute Nachricht ist in diesem Fall zugleich die schlechte. Überraschend stark – nämlich um zwei Prozent auf 170 Milliarden Euro – sind die Umsätze der IT-Branche 2019 gestiegen, was bundesweit für 42 000 neue Jobs gesorgt hat, freute sich Bitkom-Präsident Achim Berg. Auch heuer dürfte die Branche um etwa 1,5 Prozent auf über 172 Milliarden Euro Umsatz zulegen, was erneut rund 39 000 neue Jobs bedeute. Treiber sei Software. Mit über 1,2 Millionen Stellen übertreffe die IT hierzulande jede andere Branche. Verglichen mit anderen Ländern ist das dennoch mager, weil China, Indien und die USA, aber auch Dänemark oder Singapur digital doppelt bis viermal so schnell wachsen. So würden in den USA Unternehmen und Staat zusammen pro Kopf der Bevölkerung derzeit jährlich rund 1900 Euro in Digitalisierung investieren, in Deutschland aber nur 909 Euro, rechnet Berg vor.

Die Schere öffnet sich weiter. Damit sei klar, dass Deutschland digital gerade den Anschluss verliert, warnt Berg. Eine Trendwende sei nur durch radikales Umdenken zu erreichen. „Deutschland braucht mehr als ein Update, es braucht einen Neustart“, stellt der Bitkom-Chef klar und verweist auf die neue Digitalstrategie 2025 seines Verbands. Die rüttelt an föderalen Prinzipien, fordert neue Durchgriffsrechte des Bundes und zusätzliche Milliardeninvestitionen, die diesmal nicht nur geplant, sondern auch umgesetzt werden.

Denn frustrierend seien beispielsweise die Erfahrungen mit dem Digitalpakt für deutsche Schulen, wo Investitionen von fünf Milliarden Euro beschlossen, aber bislang nur im Umfang einiger hundert Millionen Euro abgerufen wurden, kritisiert der Bitkom. Deutschland brauche weniger Bildungsföderalismus und der Bund die Befugnis, bundesweite Mindeststandards durchzusetzen.

Für ein intelligentes Digitalland Deutschland müssten Genehmigungspflichten für Funkmasten und das Verlegen von Glasfaserkabeln abgeschafft werden. Der Staat sei gefordert, als Leitanwender für Digitaltechnik aufzutreten und analoge Verfahren mit einem Verfallsdatum zu versehen. Auch Berg ist klar, dass die Forderungen reichlich politischen Zündstoff beinhalten. Aber die Lage sei brenzlig. Selbst Länder wie Dänemark oder Estland würden der Bundesrepublik mittlerweile vormachen, was in Sachen digitaler Verwaltung möglich sei.

Es brauche Informatik als Schulfach und eine Digitalisierung der Schulen, die endlich in die Gänge kommt. So hat Berg seinen 40 Jahre alten Stundenplan aus Schulzeiten gerade mit dem aktuellen seines Neffen verglichen. „Sie sind identisch“, stellt der Bitkom-Chef fest.

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