Virus ändert das Spiel

von Redaktion

Umdenken bei globalen Wertschöpfungsketten – Produkte werden knapp

München – Die Furcht vor einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus und den Folgen für Unternehmen sorgt in der Wirtschaft weiter für Unruhe. Während die Aktienkurse erneut unter Druck gerieten, warnte die Europäische Handelskammer in China davor, dass bei Waren aus der Volksrepublik Engpässe bevorstehen könnten. Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr, sprach sich angesichts dessen für ein grundsätzliches Umdenken bei internationalen Wertschöpfungsketten aus.

Sorge bereitet vor allem die Zunahme an Infektionen auch in Europa. Die Aktienmärkte brachten zudem weitere Unternehmensmeldungen über die konkreten finanziellen Folgen der Epidemie. So kündigte etwa die Lufthansa ein Sparpaket an, um Einnahmeverluste auszugleichen. Der britische Spirituosenriese Diageo – Hersteller unter anderem von Smirnoff-Wodka, Baileys und Guinness-Bier – bezifferte erwartete Umsatzeinbußen auf knapp 390 Millionen Euro. Auch der Lebensmittelkonzern Danone senkte eine Prognose für 2020 ab.

Der Präsident der Europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke, bezeichnete die wirtschaftlichen Folgen durch das neuartige Virus als „weit krasser als die meisten vermuten“. Ihn erreichten „Hilfeschreie aus allen Ecken“, sagte er der „Welt“. Viele in China tätige mittelständische Unternehmen kämen schon jetzt in die Bredouille.

Bisher unterschätzt würden auch die Folgen für die Versorgung in Deutschland. Allein die großen Reedereien Cosco und Maersk hätten in den vergangenen vier Wochen jeweils 70 Containerschiffe nicht auslaufen lassen. Da die Schiffe sechs Wochen unterwegs seien, kämen derzeit zwar immer noch Schiffe aus China an, „schon bald werden aber sehr viel weniger ankommen, dann werden in Europa etliche Produkte knapp werden“, sagte Wuttke. Dies dürfte ab März besonders die Pharmabranche treffen, aber auch andere Bereiche.

Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr, erwartet vor diesem Hintergrund ein generelles Umdenken bei Managern. Er rechne mit einer Art „Lehman-Brüder-Moment“, sagte er im Deutschlandfunk in Erinnerung an das Finanzhaus Lehman Brothers, dessen Pleite 2018 eine weltweite Bankenkrise mitausgelöst hatte.

Der IfW-Chef geht davon aus, dass sich Unternehmenslenker künftig wieder stärker der Fragilität internationaler Verflechtungen bewusst werden – und die Produktion tendenziell wieder etwas mehr nach Europa verlagert wird. Er gehe davon aus, „dass die Wertschöpfungsketten etwas kürzer werden und die Globalisierung ein Stück zurückgehen wird“, sagte Felbermayr.

Zuvor hatte Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire den Coronavirus angesichts der Verwundbarkeit international verzahnter Lieferketten als „Game Changer“ für die Globalisierung bezeichnet – also ein Ereignis, das die bisherige Entwicklung völlig umkrempelt.  afp

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