München – Rein technisch scheinen Strom und Gas an der preislichen Untergrenze angekommen zu sein. Wer auf – sicher mögliche – kurzfristige Abschläge pokern will, sollte aber die Risiken kennen.
Strom und Gas
Seit Ende März kostet Strom am Großmarkt relativ konstant 104 Euro pro Megawattstunde, seit der Abschaltung der letzten deutschen AKW sogar etwas weniger. Ursache sind günstige Rahmenbedingungen, sagt Tobias Federico, Chef der Beratungsagentur Energy Brainpool: „Gas kostet gerade mit gut 40 Euro pro Megawattstunde relativ wenig, dazu hatten wir im Winter viel Wind, der dann im Mai von der Sonne abgelöst wird.“
Beim Gas hält Federico das Abwärtspotenzial mittelfristig für ausgereizt – kurzfristige Abschläge sind aber möglich. „Wird der Winter lang und kalt, könnte es natürlich über einige Monate teurer werden.“ Unsicherheit, die der Markt noch einpreist: Strom kostet für 2024 über 140 Euro pro Megawattstunde. „Langfristig sehen wir aber eher 80 bis 100 Euro als normales Strompreisniveau, also rund doppelt so viel wie vor der Krise“, so Federico.
Wie es weitergeht, hänge vor allen an den Preisen für Gas und CO2-Zertifikate: „Wir kommen durch die niedrigen Gaspreise auf ein Niveau, wo Steinkohle Gas als Preissetzer am Strommarkt ersetzen könnte.“ Denn: „Steinkohle erzeugt etwa 0,8 Tonnen CO2 pro MWh Strom, das sind beim aktuellen Kurs rund 71 Euro. Beim Gas ist es nur halb so viel.“
Sollte Steinkohle Gas ersetzen, merken Verbraucher das nicht unmittelbar: „Am Kohlemarkt entscheidet aber China über Nachfrage und Preis. Sollte dort mehr Kohle gebraucht werden, könnte das dann auch unsere Strompreise beeinflussen.“
Der Blick auf den Sommer sei bis dato ein Blick in die Glaskugel: „Wir wissen nur, dass wir im Winter wenig Niederschläge hatten, was bei einem trockenen Sommer die Wahrscheinlichkeit von Ausfällen von Kohle-, Wasser- und Atomkraft erhöht“, so Federico.
Auf die französischen AKW könne man – wie im vergangenen – auch dieses Jahr nicht zählen: „Ich glaube nicht, dass Frankreich die technischen Probleme an seinen AKW wieder in den Griff bekommt – man wird die Anlagen aber trotzdem weiterlaufen lassen, auch wenn sie aus dem letzten Loch pfeifen, was auch die Sicherheitsrisiken hebt. Ich glaube nicht, dass wir Frankreich als zuverlässigen Lieferanten haben werden.“
. Tipp für Verbraucher
Die Stromkosten haben mit ihrem Preissetzer Gas vorerst einen Tiefstand erreicht. Günstiger wird es, falls die Photovoltaik die fossilen Kraftwerke aus dem Markt drängt. Für den Sommer könnte es also noch Chancen geben, die aber dem Dürre- risiko gegenüberstehen. Am Stromgroßmarkt werden für 2024 aktuell 40 Prozent Aufschlag zu heute erwartet, größtenteils eine Risikoprämie für den kommenden Winter. Wer sich absichern will, sollte also einen Vertrag mit Preisbindung bis zum nächsten Sommer erwägen. Günstiger Strom kostet laut dem Vergleichsportal Verivox im Durchschnitt gerade rund 32 Cent brutto pro Kilowattstunde, inklusive Grundgebühr. Gas ist derzeit für 10,4 Cent brutto erhältlich.
Öl
Das Fass Rohöl der Sorte Brent kostet gerade knapp 83 Dollar, kaum mehr als im Jahresdurchschnitt. Grund ist ein – noch – reichlich versorgter Markt, wie Carsten Fritsch, Rohstoffanalyst der Commerzbank, erklärt: „Wir haben beim Rohöl immer noch Unsicherheiten, was die globale Konjunkturerwartungen angeht. Die aktuellen Zahlen aus China und den USA sind eher verhalten ausgefallen.“ Dadurch galt der Markt im ersten Quartal als überversorgt. „Die Lagerbestände in den OECD-Ländern sind deshalb gestiegen, was die Preise etwas drückt“, so Fritsch.
Außerdem liefert Russland mehr Öl als erwartet: „Die IEA berichtete, dass die russische Förderung im März nur um 300 000 Barrel pro Tag gekürzt wurde, nicht wie geplant um 500 000“, so Fritsch. Wegen des EU-Embargos muss Russland sein Öl unter Wert verkaufen, für denselben Ertrag also mehr Fässer veräußern. „Im April sollen die Rohölexporte über die westrussischen Seehäfen sogar ein Vierjahreshoch erreicht haben – wahrscheinlich wegen Wartungsarbeiten an den russischen Raffinerien“, so Fritsch.
Wegen des milden Winters seien auch die Lager mit Heizöl und Diesel gut gefüllt. Die Preise bewegen sich hier unter dem Jahresdurchschnitt, auch weil Russland vor dem EU-Embargo noch große Mengen ausgeschifft hatte. Im Laufe des Jahres erwarten Analysten Druck von beiden Seiten. „Die Nachfrage wird vor allem von China getrieben werden, und da speziell durch den wieder steigenden Kerosinbedarf, weil hier die Reisebeschränkungen später aufgehoben wurden.“
Angebotsseitig kürzen die OPEC+ ab Mai die Förderung: „Das sind rund eine Million Barrel der weltweiten Tagesproduktion, das ist durchaus beträchtlich“, so Fritsch. Die Folge: „Der Ölmarkt wird sich im zweiten Halbjahr deutlich anspannen. Wir rechnen für Brent mit einem Preisanstieg auf 90 Dollar pro Barrel bis zum Jahresende.“ Wann genau der Preisanstieg einsetze, sei vor allem eine psychologische Frage. „Sollten im Mai die Zinserhöhungen erfolgt sein, könnten die Konjunktursorgen nachlassen und die Nachfrageperspektiven sich aufhellen.“
. Tipp für Verbraucher
Gerade ist noch mehr als genug Öl auf dem Markt. Zieht die globale Konjunktur aber wie erwartet an, werden die Ölpreise durch die ab Mai gekürzte Förderung wahrscheinlich steigen, Experten schätzen zwischen – grob –acht und 20 Prozent. Einiges deutet darauf hin, dass dies ab Mai möglich ist. In diesem Fall sollten Verbraucher rechtzeitig ihre Tanks füllen. Heizöl kostet mit knapp 97 Cent (3000 Liter) in München gerade etwas weniger als noch vor zwei Wochen und traditionell etwas mehr, als im Bundesdurchschnitt (siehe Grafik).