München – Das Gebäude an der Münchner Widenmayerstraße parallel zur Isar verstrahlt ehrwürdigen Charme, auch wenn die Räume im zweiten Stock frisch renoviert sind. Es hallt, wenn Clemens Kaiser spricht, denn die Räume, durch die der Programmchef des Start-ups Rivada Space Networks führt, sind erst spartanisch möbliert. Es ist die neue Zentrale der 2022 gegründete Jungfirma. „Aber jetzt geht es richtig los“, verspricht der 57-jährige Raumfahrtmanager und meint damit eine Kommunikationsinfrastruktur, die er in betonter Abgrenzung zum Internet „das Outernet“ nennt.
Das ist ein geplantes Netz hunderter per Laser verbundener Kommunikationssatelliten im Erdorbit exklusiv für Unternehmen und Regierungen. Wer spontan an das Starlink-Netz von US-Milliardär Elon Musk denkt, wird umgehend korrigiert. „Starlink wendet sich vor allem an Endverbraucher und bietet Zugang zum Internet, wir tun beides nicht“, klärt Kaiser auf. Sein Outernet sei physikalisch entkoppelt vom Internet. Daten würden von Satellit zu Satellit übertragen und dann zum jeweiligen Nutzer auf der Erde per Laser. Das mache das System unvergleichbar abhörsicher. Dazu sollen in drei Jahren 300 Rivada-Satelliten um die Erde kreisen und 2028 alle 600 Satelliten im Erdorbit sein. Verantwortlich für diese anspruchsvolle Taktung sind Funklizenzen, die von der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) vergeben werden. Die sind mit Zeitlimit versehen, spätestens September 2026 muss Rivada die erste Hälfte des Satellitennetzes im Orbit haben
An der Stelle kommt auch das Vorgänger-Start-up Kleo Connect ins Spiel. Kleo hatte sich 2017 mit der Liechtensteiner Firma Trion Space verbündet und über sie die ITU-Lizenzen erhalten, um das Outernet zu verwirklichen. Zur Idee aus Deutschland und der Liechtensteiner Funklizenz brauchte es aber noch Geldgeber und Satellitenbauer. Die fand man in China. 2019 schossen Chinesen erste Demonstrationssatelliten in den Orbit. Dann wurde es politisch frostig. Ein unter chinesischer Kontrolle stehendes Kommunikationsnetz für westliche Firmen wurde in der EU so undenkbar, wie es in den USA schon war. Rascher Partnerwechsel tat not. Der kam in Form des US-Kommunikationstechnologiekonzern Rivada, dessen Tochter Rivada Space Networks heute ist. Denn Geldgeber aus Deutschland oder der EU zeigten der Idee lange die kalte Schulter. „Aber europäische Investoren wachen auf“, sagt Kaiser und hat einen ersten Kandidaten im Auge.
2,4 Milliarden Dollar kosten die ersten 300 Satelliten. Geld ist aber nicht alles, denn alles steht und fällt mit den Rechten für die ITU-Funklizenz aus dem All. Darüber, wer sie hält, entstand Streit mit den verstoßenen Partnern aus China. Nach 36 Gerichtsverfahren war im März 2023 dann mutmaßlich alles geklärt. „Wir haben die Lizenzen zur Nutzung der Frequenzen jetzt rechtssicher“, versichert Kaiser. Auch an Nachfrage mangle es nicht. „Wir haben Vorverträge im Wert von sechs bis sieben Milliarden Dollar“, sagt er. Man wende sich an Großkonzerne aus der Chemie- oder Autoindustrie und Regierungen, könne per Outernet auch Flugzeuge, Züge oder Containerschiffe anbinden oder Ölplattformen und Minen in entlegenen Gegenden der Erde. Mit der US-Weltraumfirma Space X, habe man Startverträge für die Satelliten abgeschlossen. Die Satelliten selbst seien bei Terran Orbital in den USA bestellt.
Damit kommen Trägerraketen, Satelliten und Geld von dort. Fragt man Kaiser, was dann eigentlich das Europäische am Outernet sei, lächelt dieser entspannt. „Die Intelligenz sitzt bei einem solchen System im Betrieb des Kontrollzentrums, und das wollen wir für die Satelliten und Dienste in München aufbauen“, antwortet der Manager. Ein solches Zentrum in Europa sei eine an die ITU-Lizenz geknüpfte Auflage.
Bis Ende 2024 sollen erst einmal vier Demonstrationssatelliten im Orbit platziert werden, im Sommer 2025 die ersten 24 Satelliten der Hauptkonstellation. In zwei Schüben Juni und September 2026 folgt laut Plan dann der große Rest. Damit wäre das Outernet funktionsfähig.