Die Konjunktur ist mau. Den Unternehmen würde es laut Verband schon viel helfen, wenn Berichtspflichten und sonstige Bürokratie durchforstet und abgebaut würden. © Patrick Pleul, dpa
München – Die Krise des Handwerks in Bayern weitet sich aus: Die Umsätze gingen laut einer Schätzung der Bayerischen Handwerkskammer im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent auf 148,5 Milliarden Euro zurück. Nach Abzug der Inflation steht sogar ein Minus von fünf Prozent. Damit kämpft das Handwerk im Freistaat schon das vierte Jahr in Folge mit einem realen Umsatzrückgang.
Schuld ist neben der allgemeinen Wirtschaftsflaute vor allem die Krise im Wohnungsbau. „Das Bauhandwerk ist davon am härtesten betroffen“, sagte Handwerkskammer-Präsident Franz Xaver Peteranderl. Doch jede Wohnung, die nicht gebaut wird, mache sich mittlerweile auch bei Ausbaugewerken wie Heizungsbauern, Elektrikern oder Installateuren bemerkbar, „die in den letzten Jahren als Lokomotive für die Handwerkskonjunktur fungierten“, so Peteranderl am Donnerstag in München. Daneben leide auch die Branche der handwerklichen Zulieferer unter der Schwäche der Industrie, und das Kfz-Handwerk treffe es, dass kaum mehr E-Autos verkauft würden, erklärte der Handwerker-Chef.
Weniger Aufträge, mehr Investitionen
Die Misere in Zahlen: Bei 37 Prozent der befragten Betriebe war das Neugeschäft rückläufig, außerdem ging auch die Auslastung der Handwerksbetriebe leicht zurück. Statt Aufträge für knapp neun Wochen wie vor einem Jahr, deckt die aktuelle Auftragslage nur noch acht Wochen, wie Zahlen der Handwerkskammer zeigen. Das führt zu weniger Jobs: Die Zahl der Handwerker und Handwerkerinnen in Bayern ging gegenüber dem Vorjahr um ein Prozent auf 956 000 zurück. Besserung sei kaum in Sicht, klagt Peteranderl. Selbst wenn es nach der Bundestagswahl eine rasche Regierungsbildung gebe und sich die künftige Bundesregierung schnell auf Hilfen einige, würden diese wohl erst im kommenden Jahr greifen, befürchtet er.
Erstaunlich: Trotz der düsteren Aussichten haben bayerische Handwerksbetriebe 2024 etwa 28 650 Ausbildungsverträge abgeschlossen, etwa 3,5 Prozent mehr als im Jahr 2023. Angesichts des Fachkräftemangels müsse sich jeder Betrieb um Arbeits- und Führungskräfte von morgen kümmern, erklärte die Kammer. Gleichzeitig investierten 43 Prozent der Unternehmen in neue Maschinen und Produktionstechniken. Erstens bereiteten sie sich damit offenbar auf bessere Zeiten vor. „Handwerker sind immer optimistisch und kennen den Wellengang der Wirtschaft“, sagte Peteranderl. Zweitens müssten sie unter dem Druck der aktuellen Krise ihre Abläufe effizienter machen, um Kosten, Personal und Material einzusparen. Drittens finde die Modernisierung vor dem Hintergrund von Betriebsübergaben und Verkäufen statt. Weil viele Chefs in den Ruhestand gehen, suchen rund 34 000 Betriebe in Bayern in den kommenden fünf Jahren einen Nachfolger.
Kammer will Praxis- Checks für Gesetze
Angesichts der Schwäche der Branche forderte die Handwerkskammer auch einen „Neustart“ der Wirtschaftspolitik, die bisher Großkonzerne bevorzuge. Beispiel Energiepolitik: Hier dürfe das Handwerk gegenüber der Industrie nicht benachteiligt werden, sagte Peteranderl. Die Stromsteuer müsse auf den EU-rechtlich zulässigen Mindestwert gesenkt werden – „und zwar nicht nur für das produzierende Gewerbe“. Und die Sozialversicherungsbeiträge müssten durch Reformen wieder unter 40 Prozent gedrückt werden.
Der Abbau von Bürokratie und Berichtspflichten ist ein weiteres Anliegen der Handwerkskammer, die bei neuen Gesetzen, die auch kleine Unternehmen treffen, Praxis-Checks fordert. „Die vielen Berichtspflichten kosten Zeit und halten von der Arbeit ab“, so Peteranderl, der auf eine Erhebung der Universität Köln verweist: Demnach schließen drei Viertel der angestellten Handwerksmeister und -meisterinnen eine Selbstständigkeit aus. Die Hälfte nennt überbordende Bürokratie als Grund.