CHIEMGAU

„Eiskönig“: Nichts für Warmduscher

von Redaktion

Prien – Der 43-jährige Bernauer Jochen Aumüller ist im Eisschwimmen praktisch schon ein „alter Hase“. Seit einigen Jahren ist er in kalten Gewässern überall auf der Welt unterwegs und hat 2017 mit seinem Verein, dem TSV Bernau, zum ersten Mal den „Chiemsee Eiskönig“ auf die Beine gestellt. „Mein Trainingspartner Christoph Fromm und ich hatten damals die Idee dazu und wollten einfach ausprobieren, wie so ein Eisschwimmen in der Region ankommt“, so Aumüller.

Zwischen 70 und 80 Teilnehmer werden am 25. Januar in den Chiemsee springen, darunter ist auch der Nürnberger Christof Wandratsch, einer der besten Freiwasser- und Eisschwimmer der Welt. Viele starten nicht nur über eine Strecke, sondern nehmen gleich mehrere in Angriff. Geschwommen werden 50, 100, 200 und 1000 Meter, meistens in der Kraullage, aber oft auch in Brust oder Schmetterling.

Außerdem werden Staffeln starten. „Brust schwimmen vor allem die Teilnehmer des ‚Jedermann-Schwimmens‘. Das ist ohne Zeitnahme und Wettkampfdruck sowie unter Anleitung von erfahrenen Eisschwimmern. Kurz gesagt, hier kann jeder mitmachen und es kann auch immer abgebrochen werden“, erläutert Jochen Aumüller. Damit ein Wettkampf zu den Eisschwimmen zählt, müssen einige Regeln eingehalten werden. Die Wichtigste: Die Wassertemperatur darf höchstens fünf Grad Celsius betragen. Außerdem wird auch nicht im Neoprenanzug geschwommen und keine wärmehaltenden Cremes wie Melkfett oder Vaseline benutzt, erklärt er.

Bei den Vorbereitungen zum „Eiskönig“ hätten sie mittlerweile Routine, aber sie seien doch sehr umfangreich. Verschiedene Genehmigungen müssten eingeholt werden, die Helfer organisiert und die Meldungen verwaltet werden. Veranstaltungsstätte ist wie immer das Strandbad des Prienavera. „Dort ist die notwendige Infrastruktur gegeben: Parkplätze, Duschen und Umkleiden sowie ein Seezugang. Zusätzlich wird vom Prienavera eine Sauna und ein warmer Pool für die Teilnehmer aufgestellt und auch Verpflegung angeboten“, führt der 43-Jährige aus. Im Chiemsee selbst wurde für den Wettkampf schon ein ganzes Wettkampfbecken installiert. „Der Beckenbau ist relativ aufwendig. Wir bauen immerhin einen echten 50-Meter-Pool mit Leinen, Wendebrettern und Leitern in den See hinein. Insgesamt hat das schwimmende Becken vier Bahnen. Das ist weltweit ziemlich einzigartig und besonders“, erklärt der Bernauer.

Die Leinen würden aber erst am Vortag des Rennens eingezogen werden, da die extreme Kälte des Wassers ihnen nicht gut tut. Dass Eisschwimmen draußen in einem Gewässer stattfindet, sei Teil der eigentlichen Definition dieses Extremsports, sagt er. „Es soll kein künstlich gekühltes oder erwärmtes Becken sein. Eisschwimmer definieren sich auch über die Naturverbundenheit.“ Eine Besonderheit beim „Chiemsee Eiskönig“ ist, dass es den „Pool of Pain“, das „Becken der Schmerzen“, gibt. Dazu wird im See ein Pavillon mit ein paar Bierbänken darunter aufgestellt und die Zuschauer dazu eingeladen, die Hosenbeine hochzukrempeln und das Gefühl des Eiswassers ein Stück weit selbst auszuprobieren.

Überhaupt spiele die Sicherheit bei so einer Veranstaltung eine große Rolle. „Bei der 1000-Meter-Freistilstrecke haben wir eine Zeit von 25 Minuten festgelegt, nach der alle, die noch im Wasser sind, herausgeholt werden. Denn ab diesem Punkt wird es für den menschlichen Körper durch die extreme Kälte gefährlich“, so der Eisschwimmer. Jeder Starter habe während seines Rennens auch einen Helfer, der ihn vom Beckenrand aus beobachtet und nach dem Rennen unterstützend zur Seite steht. Schützen kann sich jeder auch durch die richtige Vorbereitung. Wie Jochen Aumüller erklärt, reicht es für die 50 und 100 Meter, daheim ab und zu Wechselduschen durchzuführen. Zudem müssen die Vitalfunktionen des Körpers im Lot sein. „Der Rest ist Kopfsache.“

Für alles, was über die 100 Meter hinausgeht, sei wirkliches Training von Nöten. Das Beste wäre, Freiwasserschwimmen zu betreiben und in kalte Gewässer zu gehen. Der Körper adaptiere und gewöhne sich auch an die Temperaturen. Bei 200 Metern und mehr brauche es eine zweijährige Vorbereitung und vor allem Erfahrung. „Alles andere wäre ungesund, gefährlich und vor allem unverantwortlich“, bekräftigt Aumüller. Es solle im Eisschwimmen auch niemals alleine trainiert werden. Regelmäßige medizinische Kontrollen stünden in diesem Sport ebenfalls auf dem Plan. Woran man merkt, dass es langsam brenzlig wird? „Wenn es dir beim Schwimmen am ganzen Körper plötzlich warm wird.“ Warum tun sich Eisschwimmer das alles eigentlich an? „Es geht darum, die eigenen körperlichen Grenzen zu verschieben. Beim Schwimmen bekommt man den vollen Adrenalinschub, der Körper hat richtige Überlebensängste. Wenn das Rennen dann vorbei ist, werden ungehemmt Endorphine, Glückshormone, ausgeschüttet, das ist unbeschreiblich. Für diese Momente sind es die Qualen wert“, schwärmt er.

Der Eiskönig, der der Veranstaltung ihren Namen gibt, wird am Wettkampftag ebenfalls ermittelt, genauso wie die Eiskönigin. Dabei werden jedoch nicht die schnellsten Schwimmer geehrt. Vielmehr werden die Zeiten der über 50 und 200 Meter Kraul startenden Teilnehmern zusammengerechnet. Wer mit seiner persönlichen Zeit am nähesten am errechneten Mittelwert aller 250-Meter-Zeit-Additionen liegt, wird gekrönt.

Doch nicht nur die schnellsten Schwimmer sollen an diesem Tag geehrt werden. „Als sportlich faire Geste soll jeder Athlet einen Preis bekommen, der in der Zeitnahmewertung mitmacht. Auch die, die sonst nicht im Mittelpunkt stehen“, so der Bernauer.

Nicht immer alles bierernst nehmen, aber trotzdem Wettkämpfe mit Anspruch ausrichten – das ist das Ziel der Veranstalter des „Chiemsee Eiskönig“. „Bei uns ist der Spaß und das Drumherum auch wichtig. Es läuft alles etwas lockerer ab, aber dafür sind wir mittlerweile auch bekannt“, zeigt sich Aumüller stolz.

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