Botschaften, die zu Herzen gehen sollen.
Tuntenhausen – „Das Leben beginnt mit dem Tag, an dem man einen Garten anlegt“, besagt ein chinesisches Sprichwort. Kein neues Leben, aber eine gravierende Lebensveränderung brachten der Spatenstich und die Vision von Bettina Preissinger von einem Klostergarten vor mittlerweile 26 Jahren. Ohne Konzept ging es damals mit Ehemann Konrad ans Werk. Zunächst musste dazu die ehemalige etwa 1500 Quadratmeter große Weide neben der Moosach mit Humus erhöht werden, um die Kräuter vor Hochwasser zu schützen.
Die klassischen Bauerngärten basieren seit Jahrhunderten auf der Anlegung eines Klostergartens gemäß mittelalterlichem Vorbild. Bei Bettina Preissinger ist dies nach der Lehre der Ordensschwester Hildegard von Bingen erfolgt. Die Schafgarbe ist dabei das Wundheilmittel Nummer 1. Bekannt ist auch von Bingens Veilchensalbe bei Narben. „Diese stelle ich aber nicht her. Das ist schon sehr medizinisch“, gesteht die Gartenbäuerin. Aber dafür den sogenannten Herzwein: „Dieser heilt grundsätzlich und ist für seine unterstützende Wirkung bei der Nachbehandlung von Herzkrankheiten bekannt“, so Bettina Preissinger.
Kaum vorstellbar sind in Thal heute die damals angelegten Beete mit klassischer Umrandung. Jetzt bettet sich alles frei zwischen Rindenmulchwegen oder in Rundbeten ohne Abgrenzung ein. Das Gelände lädt zum Schlendern, Schnuppern und Verweilen ein. Aufgrund der Gerbsäure des Mulchs hat zudem das Unkraut auf den Wegen keine Chance.
Weiden- oder Staketenzäune dienen als Begrenzung des Areals. Doch nicht einfach so, sondern mit Blick fürs Detail verziert: So gibt es Tiere, meist von Tochter Philomena aus Ton gefertigt, als Zaunhocker, und leere Schneckengehäuse als Ummantelung der Zaunspitzen.
Die Buchsumfassung des Klostergartens gibt es seit einem Pilzbefall nicht mehr, denn auf Kunstdünger und Pflanzenschutzmittel verzichtet sie. Gegen den Frust über den Verlust hatte ihr Mann aber ein Gegenmittel: einen Steinbrunnen, der heute das Zentrum des Heilgarten- und Blumenbereichs bildet. Zu diesem führen seitliche Wege und eine Kreuzung.
Unter der Trauerulme, die ihre Baumkrone wie ein Sonnenschirm über das Bankerl ausbreitet, kann man rasten und die Seele baumeln lassen. „Diese natürliche Beschattungsmöglichkeit mit angenehmer niedriger Höhe haben wir auch für den Sandkasten unserer fünf Kinder verwendet“, so die gelernte Hauswirtschafterin und Dorfhelferin.
Bei der Lehre zu ersterem Beruf gehörte das Fach „Gartenbau“ dazu. Bei der Prüfung musste sich Bettina Preissinger mit der Pflege eines Staudenbeetes befassen. Die Anekdote bringt sie schon beim Erzählen zum Lachen. Denn: Ihre Prüferin war damals die ehemalige Landesbäuerin Annemarie Bichl. Die Note, die sie bekam: eine 4. „Wer hätte gedacht, dass ich dann so einen Garten auf die Beine stelle“, scherzt die 51-Jährige. Ihr sieht und hört man die Passion für ihr Paradies bei dem Rundgang an: bei jedem Satz und jeder Geste.
Grundsätzlich richtet sich die Gartenbäuerin, die mit ihrem Mann einen Demeterhof betreibt, nach den Vorgaben des Mondkalenders. Gemäß dem biologisch-dynamischen Gemüseanbau werden Konstellationen von Mond und Sternen bei Aussaat-, Pflanz-, Pflege- und Erntezeiten berücksichtigt. „Die richtige Wahl der Aussaat-, und Pflegetage hat Einfluss auf Gesundheit, Ertrag und Lagerfähigkeit der Pflanzen. Hier orientiere ich mich an der Pionierin auf diesem Gebiet, Maria Thun“, so Preissinger. Zugeordnet werden die Pflanzen in Blüten-, Blatt-, Frucht- und Wurzeltagen. Im Rund des Gemüsebeets mit Salat, Zwiebeln und Co. sieht man die Erfolge dieser Pflege und des Zusammenspiels der verschiedenen Pflanzen. Weiteres Glück: „Ich habe keine Schnecken.“ Tagetes, die zwar als Ablenkungsfutter für diese dienen können, sind ideale Beeteinfassungen, die bis zum Frost blühen.
Das Wichtigste ist für die Gartenbäuerin „das Aufhackeln“. Das Lockern der Erde ist speziell für die Wasserversorgung das A und O. Denn: „Ich gieße nur, was frisch angesät oder gepflanzt wurde.“ Ihr Motto lautet: „Im Einklang mit der Natur.“ Der schwere Boden konserviere die Feuchtigkeit gut, deshalb sei es wichtig, dass durch das „Hackeln“ die kleinen Wasserröhrchen, die Kapillaren, in der Erde verschlossen werden, damit sich das Wasser dort hält und nicht verdunstet.
Die Leidenschaft für den Garten hat sich auf die Kinder schon übertragen. So haben ihr diese ein rundes Bohnenbeet angelegt, an dem sich die Triebe wie bei einem Tipi emporranken können. Auch die Himbeerstauden sind neu. „Die Ideen gehen nie aus. Wir helfen alle zusammen und ergänzen uns“ , so Preissinger. Aktuell fiebert die Familie beim Wettbewerb zu Bayerns schönstem Bauerngarten mit. Für Oberbayern ist nämlich die Thaler Oase im Rennen. Der Sieger wird im September gekürt.
Doch auch ohne Prämierung ist das besondere Flair bemerkenswert. Zwischen Rosenbögen und einer weiteren Brücke gibt es neue Blickwinkel, Schilder mit Sprüchen und weiteren besonderen Dekorationen zu entdecken. Und: den 2002 angelegten Fischweiher mit Insel und Grillplatz der Familie. Dort hat sich auch ein Eisvogel angesiedelt und genießt die Ruhe. Kein Lärm von Straßen ist zu hören. Nur die Geräusche der Natur und der Duft von Rosen oder Lavendel kommt einem bei den verschiedenen Stationen in die Nase.