Sorge um die Frühchenstation

von Redaktion

Romed-Perinatalzentrum: Weil Personal fehlt, droht zum Jahresende die Schließung

Rosenheim – Die Frühchenstation im Perinatalzentrum Rosenheim hat Sorge um ihre Zukunft. Gesetzliche Rahmenbedingungen setzen die Einrichtung unter dem Dach des Romed-Klinikums unter Druck. Vor allem der geforderte Pflegeschlüssel von eins zu eins für Frühchen unter 1500 Gramm ist kaum zu erfüllen. Es fehlen die intensivmedizinisch ausgebildeten Kinderkrankenschwestern. Bis zum 31. Dezember muss eine Lösung gefunden sein, sonst droht das Aus.

Bestmögliche Hilfe,

um zu überleben

Eigentlich ist die Forderung des „Gemeinsamen Bundesausschusses aus Ärzten und Krankenkassen“ (GBA) eine gute Sache: Für jedes Frühchen, das bei seiner Geburt weniger als 1500 Gramm wiegt, muss die Station „jederzeit“ eine pädiatrische Intensivpflegekraft nachweisen. Das heißt in der Praxis, pro Schicht darf eine Pflegekraft lediglich ein einziges Kind betreuen. Auf diese Weise soll sichergestellt sein, dass diese Kinder die bestmögliche Betreuung bekommen, um überleben zu können.

Doch mit seiner Richtlinie für „neue Standards in der Frühchen-Pflege“ bringt der GBA Kliniken und Perinatalzentren bundesweit in Not. Denn das geforderte Personal ist auf dem Arbeitsmarkt kaum zu bekommen. Zu schlecht ist die Bezahlung, zu lange dauert die Ausbildung. In der Folge sei eine Lücke entstanden, die zu schließen wohl „Jahre dauert“, hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) festgestellt. Zumal, laut DKG, im Schnitt jede Frühchenstation ihr Personal um ein Drittel aufstocken müsste, um dem Schlüssel zu entsprechen.

Die Situation ist angespannt, auch im Rosenheimer Perinatalzentrum (PNZ), das gemeinsam mit der Stadt Traunstein geführt wird. Seit dem Jahr 2007 ist es als PNZ „Level 1“ zertifiziert und hat damit einen „Versorgungsauftrag für die Kleinsten der Kleinen“, wie Torsten Uhlig sagt, Chefarzt an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Romed-Klinikum. Könnte er den Pflegeschlüssel von eins zu eins erfüllen, müssten in drei Schichten drei Krankenschwestern pro Frühchen eingesetzt werden. Ein Ding der Unmöglichkeit – vor allem dann, wenn man weiß, dass es in Rosenheim auch immer wieder Drillingsgeburten gibt. Diese Kinder werden besonders häufig sehr jung geboren. Allein für sie müssten im Sinne der GBA-Richtlinie neun Krankenschwestern bereitstehen. Der Druck ist enorm – zu lange schon.

Denn der GBA versucht seit Jahren, seine Vorgaben durchzusetzen. Weil das in der Praxis aber nicht funktioniert, hat er zuletzt im Jahr 2017 eine Übergangsregelung geschaffen. Diese Übergangsregelung verschafft zwar auch dem Rosenheimer Perinatalzentrum mit seiner Früchenstation Luft. Allerdings nur bis zum 31. Dezember des laufenden Jahres. Und auch nur dann, wenn die Einrichtung umfangreiche Dokumentationen vorlegt, etwa über die Erkrankungen der kleinen Patienten. Und zugleich genau belegen kann, dass sie alles tut, um den Personalschlüssel von eins zu eins erfüllen zu können.

Menschliche

Tragödie

Für Chefarzt Torsten Uhlig eine große Herausforderung – dabei setze das Klinikum längst „alle Hebel in Bewegung“. Um versierte Kinderkrankenschwestern für eine Stelle am Rosenheimer PNZ zu begeistern, gibt es bereits Sonderzahlungen. Selbst mit einem Headhunter habe er schon einmal telefoniert, sagt Chefarzt Uhlig. „Die haben mich fast ausgelacht und mir zwei Wochen später den Kontakt zu einer einzigen Kinderkrankenschwester vermittelt. Die hat aber abgesagt.“ Hoffnung setzt er insbesondere auf die Berufsfachschule für Kinderkrankenpflege, die es seit Oktober vergangenen Jahres am Romed-Klinikum in Rosenheim gibt. Doch bis deren Schüler die hoch spezialisierte Ausbildung zur Kinderkrankenpflege im Intensivbereich abgeschlossen haben, dauert es mindestens drei Jahre.

Wie dramatisch die Situation ist, belegt die Tatsache, dass im PNZ in Rosenheim bereits Betten gesperrt werden mussten, weil es zu wenig Personal gab. Ob die 14 Plätze auf der Intensivstation für Neugeborene und die beiden Plätze für größere Kinder offen bleiben können, darüber werde derzeit täglich neu entschieden, sagt Chefarzt Uhlig. Erschwerend kommt hinzu, dass das PNZ längst zur Anlaufstelle für Mütter über die Region hinaus geworden ist. So berichtet Uhlig von einer werdenden Mutter aus Österreich. Sie erwartete Drillinge, fand aber keinen Platz im Klinikum in Innsbruck. Auf dem Weg nach Rosenheim habe sie einen Blasensprung erlitten. „Das sind menschliche Tragödien“, sagt Uhlig. Schlimm auch die Vorstellung, dass Frühchen per Krankentransport von München nach Rosenheim gefahren werden, weil es in der Landeshauptstadt keine Hilfe für sie gibt. Denn auch dort sperren Kliniken ihre Betten für die winzigen Patienten. Auch dort fehlt das Personal, sie zu betreuen. Uhlig spricht von einem „negativen Tourismus“, der sich für die Perinatalzentren entwickelt habe. „Bisher ist es uns gut gelungen, diese Transporte zu vermeiden. Jetzt sind wir wieder da, wo wir waren. Und jeder Transport birgt Risiken für ein Frühchen.“

Gefahr für die

Reifgeborenen

35 kleinste und kleine Patienten werden laut Uhlig pro Jahr im PNZ in Rosenheim versorgt, zumeist über einen Zeitraum von vier bis fünf Monaten. Doch nicht alle sind Frühchen unter 1500 Gramm. 80 Prozent der Kinder sind sogenannte Reifgeborene. Viele unter ihnen leiden an Sauerstoffmangel und brauchen ebenfalls intensivmedizinische Betreuung. Sollte das PNZ zum Jahresende schließen müssen, wären sie ebenfalls betroffen. „Das macht mir sehr viel Sorgen“, sagt er.

Und hofft, dass es doch noch eine Einigung mit dem GBA geben kann. Zumindest aber eine erneute Fristverlängerung. Im Dialog mit dem GBA gibt es den Vorschlag, alle kleinen Intensivpatienten mit einzubeziehen, wenn es um den Personalschlüssel geht, und diesen von auf eins zu zwei heraufzusetzen, eben auch für die Frühchen unter 1500 Gramm. „Damit hätten wir eine Jongliermöglichkeit“, sagt Uhlig. Auf diese Weise könne ein „Spielraum“ entstehen, der sich „an der Realität orientiert“. Wichtig sei es, dass das PNZ „handlungsfähig“ bleibe. Dennoch gelte es, den schlimmsten Fall, die Schließung zum 31. Dezember, einzukalkulieren. Doch die Hoffnung um einen Ausweg, will er nicht aufgeben. Denn noch, sagt er, steht das PNZ besser da als etwa die Einrichtungen in München, in Großhadern und an der Maistraße.

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