Bad Aibling – Das heimische Bücherregal von Louisa Ribbe aus Bad Aibling platzt aus allen Nähten. „Das sind über 200“, sagt die Sechstklässlerin stolz und spricht erstaunlich erwachsen über Literatur, über Neue Medien und über ihre Generation. Klar ist: Die Schülerin hat, gerade für ihr Alter, ein außergewöhnliches Talent. Sie liest gerne – und lässt daran andere teilhaben. Kein Zufall also, dass sie den Kreisvorentscheid des bundesweiten Vorlesewettbewerbs für sich entscheiden konnte.
Das Ziel: Über
München nach Berlin
Dieser fand kürzlich in der Stadtbücherei Bad Aibling statt, wo 16 Kinder, die zuvor in ihren Schulen im Landkreis Rosenheim gewonnen hatten, vor einer Jury um die Wette lasen. Zusätzlich zu einer Textstelle aus einem mitgebrachten Buch musste ein unbekannter Fremdtext vorgelesen werden. Louisa Ribbe überzeugte dabei am meisten und darf nun in der nächsten Runde bayernweit für ihren Landkreis antreten – anschließend könnte ihr Weg weiter bis nach Berlin zum bundesweiten Vergleich führen.
„Mein Papa hat meinen Auftritt mitgeschnitten – ich hätte es noch besser machen können“, sagt Lousia selbstkritisch über ihre erfolgreiche Darbietung in der Aiblinger Bücherei. Dass es dennoch zum Sieg reichte, habe sie anfangs gar nicht glauben können. Ganz überraschend kam der Triumph jedoch auch nicht, gehört Louisa doch in der Schule stets zu den Besten, wenn es ums Vorlesen geht.
„Ich mag verschiedene Sprechrollen, versuche beim Lesen Emotionen auszudrücken, zum Beispiel durch das Anheben der Stimme“, erklärt die Zwölfjährige ihre Herangehensweise. Genügend Training hat sie hierfür allemal. In nur drei Tagen verschlingt sie manchmal Bücher mit fast 1000 Seiten. „Da sitze ich dann nur auf der Couch und tauche in eine andere Welt ab.“ Mindestens einmal in der Woche kommt sie zudem in die Bücherei, „sonst geht mir ja der Lesestoff aus“, sagt Louisa. Warum ihr das freie, fehlerfreie Vorlesen so liegt? „Ich scanne den Text und bin immer ein paar Wörter oder eine Zeile voraus“, erklärt sie ihre Technik. Wie Mutter Monika Ribbe schmunzelnd zugibt, stamme das Talent nicht wirklich von Louisas Eltern. Dennoch sagt sie: „Ich finde das natürlich toll und bewundere es, mit welcher Freude sie bei der Sache ist.“ Und ganz unbeteiligt ist sie als Mutter auch nicht an Louisas Begabung: Schon von frühen Kindesbeinen an las sie Louisa und ihrer Zwillingsschwester, die wenig überraschend auch ein Faible für Bücher hat, reihenweise Geschichten vor. Mittlerweile habe sich das Blatt gewendet. „Zu Hause kommt Louisa dann immer wieder und fragt, ob sie uns noch etwas vorlesen kann.“
In Zeiten, in denen Kinder und Jugendliche oftmals lieber stundenlang am Smartphone kleben, anstatt ein Buch zu lesen, weiß Louisa freilich, dass ihr Hobby nicht überall beliebt ist. „Meine beste Freundin liest auch sehr viel, andere in meinem Alter aber eher nicht so.“ Ihre erstaunlich sachliche Einschätzung: „So ist eben unsere neue Generation.“ Sie selbst interessiert sich durchaus auch für moderne Medien, will auch das Handy nicht verteufeln. Jedoch hat sie keine Lust, stundenlang „für nichts“ am Bildschirm zu hängen.
Autorin als
Berufswunsch
Und so hat die junge Bad Aiblingerin schon jetzt konkrete Zukunftspläne. „Ich will Autorin oder Illustratorin werden.“ Auch der Beruf der Lehrerin reizt sie. Bereits vor vier Jahren schrieb sie zusammen mit ihrer Schwester das erste Buch. „,Cowgirl und Ostwind‘ hieß der erste Teil“, erinnert sich Louisa an zwei vollgeschriebene und vollgemalte Schulhefte, in denen die Schwestern ein Kinderspiel mit viel Fantasie zum Leben erweckten. „In der vierten Klasse haben sie dann bereits begonnen, ihre Fehler darin zu korrigieren“, erzählt Monika Ribbe.
Jetzt, so erzählt Tochter Louisa, sei der zweite Teil der Fantasy-Geschichte in Arbeit. Und bevor vielleicht bald wirklich ein Werk von ihr in den Bücherläden erhältlich ist, will sich die Bad Aiblingerin erst mal auf die Schule und natürlich auf die nächste Runde des Vorlesewettbewerbs konzentrieren. Das Ziel dabei sei klar: „Ich will so weit kommen, wie möglich.“