Die Folgen des Bädersterbens

von Redaktion

Experten sehen Risiko bei Kinderschwimmkursen am See – Warteliste für Teilnehmer

Bad Aibling/Bruckmühl – Das Problem ist längst bekannt. Der Mangel an Bademöglichkeiten, etwa durch die Schließung vieler Hallenbäder, sorgt dafür, dass immer mehr Kinder keinen Platz in einem Schwimmkurs erhalten. Die Folge: „Die Schwimmfähigkeit, gerade von Kindern, hat in den vergangenen Jahren pandemiebedingt deutlich gelitten“, teilt etwa die Wasserwacht Bayern mit. Das aufzuholen, was während der Corona-Pandemie ausgefallen ist, sei schier unmöglich. Denn erschwerend komme hinzu, dass immer mehr Bäder schließen und gleichzeitig zu wenig neue Bäder entstehen. Wichtige Schwimmflächen für entsprechende Schwimmkurse fehlen also überall, auch in der Region und speziell im Mangfalltal.

Bayernweite Kampagne gestartet

Diesem „besorgniserregenden Trend“ will die Wasserwacht mit der Kampagne „Bayern schwimmt“ entgegentreten und sich dem „Schwimmen lernen am See“ widmen. Ein Ansatz, den auch Marius Dunker, Vorsitzender der Wasserwacht-Ortsgruppe Bad Aibling, grundsätzlich nachvollziehen kann. „Ich würde das natürlich auch nicht ausschließen“, sagt Dunker. Allerdings äußert er bezogen auf die Region gewisse Bedenken. Ihm falle die Vorstellung schwer, mit kleinen Kindern, die noch überhaupt nicht schwimmen können, in den Höglinger Weihern einen Schwimmkurs anzubieten. Wenn in dem trüben Wasser ein Kind wegrutsche, „dann ist es erstmal weg“, stellt der Vorsitzende klar. Der Baggersee mit seiner steilen Böschung sei für diese Zwecke nicht hergerichtet. Deshalb ist für Dunker das Risiko hier deutlich zu groß. Zudem gebe es weitere Faktoren, die gegen einen Kurs im Freigewässer sprechen. „Zum einen wäre das organisatorisch schwer zu handeln, denn Schwimmkurse im See sind brutal wetterabhängig“, was gleichermaßen für das Training in Freibädern gelte. Hinzu kommen laut Dunker die deutlich niedrigeren Wassertemperaturen. „Seitdem viele Hallenbäder aus Energiespargründen ihre Wassertemperaturen gesenkt haben, schwimmen manche Kinder dort schon mit Neoprenanzügen.“ In Seen müsste man mit noch kälterem Wasser leben.

Während die Bad Aiblinger Wasserwacht zwar durchaus in der Jugendausbildung im Sommer auch mal auf den See zurückgreift und etwa Seepferdchen für die Kleinen auch im Bad Feilnbacher Freibad anbietet, halte man die Kleinkinderschwimmkurse ausschließlich im Rosenheimer Hallenbad ab. Klar ist aber auch, dass man sich seit vielen Jahren auch wieder ein Hallenbad für die Stadt Bad Aibling wünschen würde. Hierüber wurde auch auf politischer Ebene in der Vergangenheit viel diskutiert. Das Problem liege laut Dunker aber meist nicht in den Bau-, sondern vielmehr bei den Unterhaltskosten.

Doch gerade was die Anforderungen, etwa durch die Bad Aiblinger Schulen angeht, könnte man in der Kurstadt dringend wieder ein Hallenbad gebrauchen. Denn: „Die Schwimmfähigkeit hat auch hier in der Region, auch was die Qualität angeht, gefühlt deutlich abgenommen“, so Dunker. Zwar sei auch hier die Nachfrage hoch. Jedoch führe etwa die Bad Aiblinger Wasserwacht Wartelisten für Eltern, deren Kinder aufgrund der fehlenden „Badkapazität“ nicht schwimmen lernen können.

Nachdem das Aiblinger Hallenbad im Leoheim 2013 seine Pforten schließen musste, habe sich die Kapazität halbiert. Und das Ganze komme einem Teufelskreis gleich. Denn da weniger Kinder einen Schwimmkurs belegen können, werden letztlich auch weniger Jugendliche zu Trainern ausgebildet. Dunker hofft deshalb, dass sich potenzielle Helfer wieder vermehrt bei der Wasserwacht melden. Überdies bilde die Wasserwacht intern sehr vielseitig aus.

Dunkers Beobachtungen zur Schwimmfähigkeit bei Kindern decken sich in weiten Teilen auch mit denen von Pia Brinkmann, Leitung Ausbildung bei der Bad Aiblinger DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft). „Nach der Forsa-Umfrage der DLRG hat sich die Zahl der Grundschulkinder in Deutschland, die nicht schwimmen können, von 2017 bis 2022 auf 20 Prozent verdoppelt.“ Dies schätze man in Bad Aibling und dem Mangfalltal aufgrund der gesunkenen Ausbildungskapazitäten ähnlich ein. Auch der Aiblinger DLRG-Ortsverband führe eine Warteliste mit Teilnehmern für Kinderschwimmkurse, „auf denen deutlich mehr Personen angemeldet sind, als wir ehrenamtlich Plätze anbieten können“, so Brinkmann. So sei das Angebot in der Region auf jeden Fall knapp, sodass Kinder oftmals länger warten müssten, bis sie einen Platz in einem Kurs bekommen. Eine große Rolle spiele hierbei der Mangel an Hallenbädern. „Wir müssen uns Schwimmbadkapazitäten in den umliegenden Gemeinden ‚ausleihen‘“, sagt Brinkmann. Heißt: Trainer und Eltern müssten teils weit fahren, etwa nach Bad Feilnbach, Au oder Großholzhausen. Laut der Ausbildungsleiterin sei es teilweise gar nicht möglich, zu den Zeiten, an denen die ehrenamtlichen Trainer Zeit haben, entsprechende Schwimmbadzeiten zu erhalten.

Freigewässer sind keine Alternative

Brinkmann weiter: „Neben dem zu geringen Angebot an Kinderschwimmkursen führt die deutlich zu geringe Schwimmbad- und Hallenbadkapazität auch zu einem Mangel an Ausbildern und damit auch Ausbildungsplätzen für Rettungsschwimmer, die etwa für das Schulschwimmen verpflichtend sind.“

Der Ansatz, Kurse im Freigewässer anzubieten, sei auch laut Brinkmann grundsätzlich möglich. Hierbei verweist aber auch sie auf die zu beachtenden Umgebungsfaktoren wie steil abfallende Ufer oder trübes Wasser, welche durchaus Gefahrenquellen darstellen. Diese müsste man mit einem entsprechenden Ausbilderschlüssel und weiteren Maßnahmen berücksichtigen. Brinkmann, die ebenfalls die Abhängigkeit vom Wetter problematisch sieht, empfindet Freigewässer somit zwar als eine weitere Option, nicht allerdings als Alternative zu Hallenbädern, die vor allem im Winter für Schwimmkurse gebraucht würden. Die DLRG bietet Kurse im Freigewässer an, in der Region jedoch aktuell nur in Hallen- und Freibädern.

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