Der „Post Kurbe“ und sein kochender Enkel

von Redaktion

Ältere Auer erkennen das Konterfei sogleich, für alle anderen steht es dabei, wer hier an der Fassade des ehemaligen Lindenwirts verewigt ist: Der unvergessene „Post Kurbe“ ist Namensgeber der Wirtschaft von Hannes Mayr, mit der sich der 36-Jährige einen Traum erfüllt – und seinen geliebten Opa hochleben lässt.

Bad Feilnbach – Schon in der dritten Klasse stand für Johannes Mayr, genannt Hannes, fest: „Ich werde Koch.“ Das habe er seiner Tante Agnes, damals Wirtin des Gasthauses Pfeiffenthaler, auf die Frage nach seinem Berufswunsch geantwortet. „Und seitdem wollte ich auch nie etwas anderes werden“. Er habe es geliebt, als Bub das Geschehen in der Küche beim „Pfeiffä“ und allem, was dazu gehört, zu beobachten. „Des mog i a“, wusste er ab da.

Nach der Lehre im Bayerischen Hof in Oberaudorf führte ihn sein Weg an viele Stationen, darunter Lermoos, Kitzbühel, Kaprun, England, Chiemsee, Tegernsee, Rosenheim und Bad Aibling, zum Andrelang in seinem Heimatort Au und zuletzt nach Flintsbach. Als er und seine Tatjana 2023 über Freunde hörten, dass der Auer „Lindenwirt“ zum Verkauf steht, beschlossen sie, den Schritt zu wagen. „Ich mag einfach nimmer weg von meinem Au“, sagt Mayr mit fester Stimme.

Kein einfacher
Weg bis zum Start

Ganz so einfach gestaltete sich der Weg dann nicht: Trotz familiären Rückhalts und Sicherheiten sei bei den Banken kein Kredit zu bekommen gewesen. „Gastronomie gilt einfach als Hochrisikogeschäft.“ Doch dann, mitten im Weihnachtsstress, Tatjana hochschwanger mit der dritten Tochter, schien sich die Tür doch noch zu öffnen. Auch Kontakte über die Wirtschaftssenioren Rosenheim nutzte das junge Paar. „Kurz vor Ostern haben wir dann die Zusage bekommen. Seit 18. Juni gehört uns die Wirtschaft.“ Zur Eröffnung am 15. August kamen über den Tag verteilt rund 200 Besucher.

Lange habe er hin und her überlegt, welchen Namen „dieses Kind“ bekommen sollte, erzählt Hannes Mayr beim Gespräch mit dem OVB in seiner rundum hergerichteten Gaststube. „Post Kurbe“ also. „Es war mir ein Bedürfnis, meinen Opa hochleben zu lassen“, betont der junge Wirt. Als Sohn einer alleinerziehenden Mutter verbrachte er als Kind viel Zeit mit seinen Großeltern in Dettendorf, da sei der Opa so etwas wie ein Ersatzpapa gewesen, weil der eigene Vater zwar da war, sie aber nicht zusammenlebten.

Korbinian „Kurbe“ Mayr war in Au eine echte Institution – er war „das“ Gesicht des örtlichen Postamtes, direkt neben dem damaligen Radlgeschäft Antretter – nur einen Steinwurf vom heutigen Lokal seines Enkels entfernt. Dort saß er hinter dem Schalter; Herr über all die großen und kleinen Stempel, Briefmarkenbefeuchtungsschwämmchen und Sonderbestimmungen.

Der Herr über
die Briefmarken

Mit all den Briefmarken, den dicken Wälzern mit den Postleitzahlen Deutschlands, der Briefwaage und dem internationalen Nachschlagewerk, wenn Luftpost in damals exotisch anmutende Länder verschickt werden sollte. Dabei hatte er stets die Ruhe weg.

Bekannt war der „Post Kurbe“ auch für seine direkten Worte und seine unverblümte Ausdrucksweise. Nicht nur im Amt, sondern auch daheim. „Braucht‘s eich ned ducka, i friss eich eh ned“, gibt sein Enkel eine Kostprobe davon, wie der Opa einst seine Geringschätzung ausdrückte, wenn es daheim mal Dampfnudeln gab und er den Pfannendeckel lüpfte, unter dem die empfindlichen Teiglinge eigentlich keinen Zug hätten bekommen dürfen.

Das Deftige war seine Welt. Und die lässt Hannes Mayer jetzt wieder aufleben. „Im ,Post Kurbe‘ schick ma eich zruck in eure Kindheit und kochen wie bei da Oma“, verspricht er seinen Gästen. Und stimmt diese auch mit einem Verserl auf das ein, was sie beim Besuch erwartet: „Da Kurbe war da Opa vom Wirt, der hod des boarische Lebn gspiad. Er war Gastgeber aus voim Herzn, des wolln mia für eich a sei, do dean ma ned scherzen. An Schnaps unter 50 Prozent den brauchst gar ned bringa, do schmeckst ja a‘s Wasser außa, er wuid hoid koa Gracherl dringa. An Bron ohne Fett’n, mid dem druggan Zeig, do konnst eam glei geh, drum werd an Kurbe bei uns im Wirtshaus de Ehre gem. Jetzt ess ma, dringan und lachan heid, da Opa, der hätt a rechte Freid!“

Ein, zwei vegetarische Gerichte gebe es darüber hinaus natürlich ebenfalls auf der Karte, die neben Schmorgerichten, Wild und „Handwerker Menü“ auch pfiffige Neukreationen und fast vergessene Gerichte aufweist.

Rinderzunge
als Spezialität

Innereien, die hat der Kurbe besonders geliebt. Vor allem Rinderzunge ließ er sich vom Enkel gern kredenzen. Und die ist auch im „Post Kurbe“ sehr gefragt – doch gar nicht so einfach zu bekommen. „Die wird oft bei der Wurst mitverarbeitet oder gepökelt“, weiß der Fachmann.

Er bezieht sie jetzt von der Oberland-Bioweiderind GmbH, die Tatjana Mayrs Eltern mitgegründet haben. „Dort haben sie die Zungen vorher kaum weitergebracht. Für uns dagegen langen die zwei Zungen pro Woche fast nicht.“

„Herzensküche“ nennt Hannes Mayr sein Konzept, bei dem es ihm zum einen wichtig ist, so viele Produkte wie möglich aus der Region zu beziehen. Darunter Zwetschgen vom Nachbarn, Gemüse aus Bad Feilnbach und die Schwammerl, die ihm ein guter Freund bringt – vom Frühlingsmorchel bis zur Herbsttrompete, die ansonsten frisch kaum zu bekommen ist. Zum anderen ist sein Anspruch, so viel wie möglich selbst zu machen, keinerlei fertige Produkte zu verwenden. Zwar hat er eine fest angestellte Küchenhilfe, gibt aber auch zu, dass es ihm nicht leicht jemand recht machen kann. „Ich mach‘ halt alles gern, auch Zwiebel- oder Kartoffelschälen.“

Genau so geht es ihm mit den Gerichten: „Ich habe kein Lieblingsgericht“, betont der 36-Jährige. Und auch seiner Frau schmeckt so ziemlich alles, was der Gatte kocht. Was sie denn am liebsten von ihm isst? „Sein Kaiserschmarrn ist wirklich unübertrefflich.“ Da stimmt ihr Töchterchen Helena (4) sofort zu. Und was schmeckt ihr sonst am besten aus Papas Küche? „Pommes. Und alles!“, strahlt der kleine Wirbelwind.

Zusammen mit Schwesterchen Charlotte (3), von allen nur „Lotti“ genannt, und der kleinen Hannah (7 Monate) zeigt sie sich unbeeindruckt von dem ganzen Trubel.

Und auch Hannes und Tatjana wirken wie die Ruhe selbst. Sie haben ihre Abläufe gut organisiert. Tatjana Mayr kommt selbst aus der Gastronomie, hat nach ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau Gastronomiemanagement studiert und hat Erfahrung mit kaufmännischer Leitung. „Sie ko rechnen, i kon kocha“, lacht ihr Mann.

Aber auch auf ihre Familien können die beiden zählen. Die Eltern unterstützen sie, die Geschwister helfen im Service aus oder kümmern sich um die Online-Auftritte. Tatjanas Schwester hat das Logo gestaltet, Kurbes Urenkel Quentin, Kirchenmalerlehrling, brachte es auf die Fassade und im Innenraum an. Es zeigt den „Post Kurbe“ im Profil, mit seinem unverkennbaren Hut auf dem Kopf. „Der Huad is älter als der Böhmerwald. Ich hab‘ ihn vom Opa geerbt“, sagt Hannes Mayr stolz.

Das Erbe
lebt weiter

Im Jahr 2011 ist Kurbe Mayr gestorben. Sein Enkel trägt ihn im Herzen – und hält jetzt mit seinem Lokal die Erinnerung in Ehren: „Mein Opa war mein Wegbereiter. Er hat mir gezeigt, wie man lebenswert lebt.“ Nur das Kochtalent, das hat er definitiv nicht von ihm geerbt: „Der Opa hat ned amoi Wiener warm bracht.“ Die Oma war‘s, die den jungen Hannes in die ersten Geheimnisse der guten Küche einweihte: „Boarisch, gmiatlich, einfach guad.“ Nach diesem Motto lässt er jetzt im „Post Kurbe“ wieder „die Pfannen glühen“.

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