Bad Aibling – Nachdem Mitarbeiter des Veterinäramtes am vergangenen Mittwoch, 9. April, auf einem Aiblinger Bauernhof neun tote Rinder – ein weiteres musste noch vor Ort eingeschläfert werden – entdeckt hatten, laufen die Ermittlungen gegen einen jungen Landwirt. Die Staatsanwaltschaft Traunstein hatte diese wegen des „Verdachts der quälerischen Tiermisshandlung und der Tiertötung durch Unterlassen“ eingeleitet. Seitdem stellt sich nicht nur in der Kurstadt die Frage, wie es so weit kommen konnte.
Hohe Belastung für
viele Landwirte
An Spekulationen dazu will sich Kreisobmann Josef Andres jedoch nicht beteiligen. „Was vorgefallen ist, ist tragisch und muss sauber aufgearbeitet werden“, erklärt er gegenüber dem OVB. „Auch mir tut das als Bauer extrem weh.“ Da der Bauernverband jedoch nicht in die Untersuchungen der Fachbehörden eingebunden ist, könne Andres zu dem Aiblinger Fall nicht viel sagen. Aber: „Man spricht immer von den toten Tieren und deren Schicksal ist in solchen Fällen natürlich schlimm. Aber man vergisst oft, dass dahinter Menschen und oftmals schlimme Schicksale stecken.“
Laut Andres seien die hohen Qualitätsstandards und regelmäßige Kontrollen wichtig. „Allerdings muss man sich die Frage stellen, ob man betroffenen Betrieben auch einfach mehr helfen, sie an die Hand nehmen und schauen kann, ob jemand fähig ist, Tiere zu führen.“ Womöglich sei in manchen Fällen ja auch eine andere Art der Betriebsgestaltung besser für den einzelnen Landwirt.
Ein Großteil der Mindeststandards in Deutschland gehe über das internationale Maß hinaus, sagt Andres. Dies habe freilich auch Auswirkungen auf die Belastbarkeit der Landwirte. Laut dem Kreisobmann seien die Beratungsangebote in der Branche überfüllt, etliche Fälle, in denen Landwirte unter Burn-out oder Depressionen leiden, würden eine deutliche Sprache sprechen.
„Macht uns das
Leben extrem schwer“
Wichtig ist Andres in der ganzen Diskussion vor allem eines: „Wir dürfen nicht zulassen, dass solche Fälle die ganze Branche in ein schlechtes Licht rücken.“ Der Großteil aller Landwirte halte sich vorbildlich an alle Standards und der einseitige Blick von außen „macht uns das Leben extrem schwer“. Pauschalisierungen wie in der Landwirtschaft gebe es in anderen Sparten gewöhnlich nicht. „Wenn ich schlechte Erfahrungen mit einer Kfz-Werkstatt mache, dann heißt das ja auch nicht, dass alle schlecht sind.“
Eine Sichtweise, die auch Bad Aiblings Bürgermeister Stephan Schlier unterstützt. „Unsere Bauern machen jeden Tag eine unschätzbar wertvolle Arbeit“, sagt der Rathauschef. Es müsse unbedingt verhindert werden, dass die Landwirte unter Generalverdacht gestellt werden oder sich einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sehen. „Das heißt nicht, dass dieser schlimme Vorfall beziehungsweise die jüngsten Vorfälle im Landkreis Rosenheim nicht aufgearbeitet werden müssen und sich die Frage stellt, warum die Fachbehörden erst so spät von Missständen erfahren konnten.“ Trotzdem habe man tolle Betriebe und, was Schlier etwa auf den Freisprechungsfeiern und dem Kreisbauerntag erlebt habe, ebenso bestens ausgebildete junge wie erfahrene Landwirte.
„Ich bin mir sicher, dass diese Vorfälle für unsere hiesigen Landwirte genauso belastend sind, wie für die Bevölkerung: Sie fühlen sich zu Unrecht mitverurteilt und haben Angst um das Vertrauen in ihre Arbeit“, betont Schlier. Bei bundesweit über 260000 landwirtschaftlichen Betrieben im Jahr 2020 ließen sich solche Vorkommnisse wohl nie vollständig verhindern. Trotzdem müsse alles dafür getan werden.
Denn fest steht: „Tierwohl muss immer oberste Priorität haben. Gleichzeitig ist es mir wichtig, zu betonen, dass die überragend große Mehrheit unserer Landwirte mit großer Sorgfalt, Verantwortungsbewusstsein und im Einklang mit geltenden Standards arbeitet“, so Aiblings Bürgermeister.
Die Bauern sorgten täglich dafür, dass Tiere gut versorgt werden – oft unter herausfordernden Bedingungen. Schlier: „Ein einzelner Fall darf nicht dazu führen, dass eine ganze Berufsgruppe pauschal in Misskredit gerät.“ Er fordert: Aufarbeitung, eine klare Haltung, jedoch keine Vorverurteilungen. Klar ist aber auch, dass sich vergleichbare Fälle in letzter Zeit häuften. So wurden Dutzende tote und vernachlässigte Kühe in Rimsting gefunden, hunderte verendete Hühner in Söchtenau, 50 tote Tiere in Griesstätt – und ganz aktuell eben tote Rinder in Bad Aibling. Laut Staatsanwaltschaft Traunstein werden nun in jenem Ermittlungsverfahren alle belastenden und entlastenden Umstände ermittelt. Insbesondere soll der Sachverhalt durch eine veterinärmedizinische Begutachtung aufgeklärt werden.