Blackout-Gefahr durch die Hellbrise?

von Redaktion

Der Faktencheck des Mangfall-Boten zum Feldkirchen-Westerhamer Windrad

Feldkirchen-Westerham – Es erzeugt nicht nur Strom, sondern auch viele Gerüchte und Behauptungen: Am Windrad Riedholz bei Feldkirchen-Westerham, das sich seit Dezember 2024 dreht und rund ein Zehntel des Stromverbrauchs der gesamten Kommune erzeugen soll, scheiden sich die Geister. Während Befürworter von einem wertvollen Mosaikstein sprechen, um die Energiewende zu schaffen, gibt es auch Gegner der Anlage, die sich nicht nur an deren Erscheinungsbild stören, sondern gar den Nutzen in Zweifel ziehen und eine Gefahr für Mensch und Tier sehen.

Befürchtungen haben
sich bewahrheitet

Während der Bauphase waren es vor allem vereinzelte Anwohner, die in erster Linie ihre Lebensqualität durch die Anlage in Gefahr sahen. Deren Befürchtung: Das Bauwerk könnte den Landstrich verschandeln, durch einen Schattenwurf und das Geräusch der Rotoren das Leben massiv gestört werden. Befürchtungen, die sich für Helena Heiler, Chefin des gleichnamigen Ferienhofs im nahegelegenen Elendskirchen, teilweise bewahrheitet haben.

Lebensqualität
beeinflusst

„Tagsüber hören wir die Anlage fast nicht“, sagt die Anwohnerin auf Anfrage des Mangfall-Boten. „Nachts ist es aber, vor allem bei schlechtem Wetter, sehr laut.“ So habe ihr das Windrad bereits „einige schlaflose Nächte“ beschert. Erfahrungen, die hingegen Anwohner des Windrads Hamberg im Nachbarlandkreis Ebersberg, die bereits seit 2016 neben einer derartigen Anlage leben, nicht teilen, wie eine Recherche des Mangfall-Boten im Sommer 2024 ergeben hatte.

Sinnhaftigkeit
infrage gestellt

Doch nicht nur in Hinblick auf die Lebensqualität, auch in puncto Nutzen gibt es Behauptungen, die vor allem bei Windkraft-Gegnern immer wieder die Runde machen. So stellt Roland Zeddies aus Feldkirchen-Westerham, Vorsitzender der AfD Mangfalltal, die Sinnhaftigkeit des Windrads grundsätzlich infrage. Und noch viel mehr: Er sieht die 250 Meter hohe Einrichtung sogar als Gefahr für das Stromnetz, den Geldbeutel der Bürger und die Umwelt. Doch ist das wirklich so? Der Mangfall-Bote hat den Faktencheck gemacht:

Stichwort Blackout-Gefahr durch die Hellbrise: Zeddies warnt davor, dass an sonnigen und windigen Tagen, was in der Wissenschaft als Hellbrise beschrieben wird, mehr Strom erzeugt wird, als das Stromnetz verarbeiten kann.

Laut Recherche des Feldkirchen-Westerhamers besteht dann die Gefahr, dass das Netz kollabiert, was schließlich zu einem Blackout führen könnte. Aussagen, die nach Angaben von Experten des Centralen Agrar-, Rohstoff-, Marketing- und Energie-Netzwerk, kurz Carmen, mit Sitz im niederbayerischen Straubing, zunächst einmal der Wahrheit entsprechen. Die Hellbrise, „eine Wetterlage mit viel Wind und solarer Einstrahlung“, könne „beispielsweise an Sonn- und Feiertagen“ zu Überschüssen in der Stromerzeugung führen, teilt ein Carmen-Experte auf Anfrage des Mangfall-Boten mit. „Im Sommerhalbjahr ist das vor allem zu den Mittagsstunden der Fall, im Winterhalbjahr hingegen abhängig von den Windverhältnissen.“

Anlagenbetreiber
haben vorgesorgt

Doch es gibt ein großes „Aber“ in Hinblick auf Zeddies Behauptung auf die Blackout-Gefahr: Denn in der Regel hätten die Anlagenbetreiber für diese Fälle vorgesorgt, wie der Carmen-Experte erklärt: „Die meisten großen Anlagen werden abgeschaltet, wenn der Strom das Netz überlasten würde oder das Angebot die Nachfrage übersteigt.“ Zunehmend würden sogar Kleinanlagen in die netzbetreiberseitige Anlagensteuerung einbezogen „und tragen so auch zu einer netzdienlichen Einspeisung bei“.

Maßnahmen, die auch für die Windkraftanlage Riedholz gelten, wie Florian Lechner, Geschäftsführer des Betreibers, der Bürgerwind Riedholz GmbH gegenüber dem Mangfall-Boten erläutert. „Sollte es zu einem Einspeisewert kommen, den die Netzbetreiber kritisch bewerten, werden durch Maßnahmen die Einspeiseanlagen zeitweise vom Netz getrennt.“ Was nach Angaben Lechners bislang aber beim Windrad bei Riedholz noch nicht passiert sei.

• Stichwort Belastung für die Steuerzahler: Zeddies führt gegenüber dem Mangfall-Boten aus, dass durch einen Überschuss, den regenerative Ablagen an sonnigen und windigen Tagen produzieren, Strom zu Schnäppchenpreisen ins Ausland verscherbelt werden müsse. Was wiederum den Steuerzahler belaste, da den Energieunternehmen durch die Einspeisevergütung ein garantierter Festpreis gezahlt werde.

Zahlung der Prämie
wird reduziert

Doch auch hier entpuppen sich Zeddies Aussagen nach Rückfragen bei den Experten von Carmen, in dessen Team sich zahlreiche Ingenieure wiederfinden, schnell als nur teilweise korrekt. Es komme zwar „an manchen Tagen zu Überschüssen und somit negativen Strompreisen“, wie ein Carmen-Experte gegenüber dem Mangfall-Boten bestätigt. Seitens des Gesetzgebers sei aber mittlerweile geregelt, dass „bei großen Anlagen zu Zeiten negativer Börsenpreise die Zahlung der Marktprämie reduziert beziehungsweise ausgesetzt“ werde. „Seit dem Inkrafttreten des Solarspitzengesetzes Anfang 2025 wird zusätzlich für kleine Neuanlagen keine Förderung in Zeiten negativer Börsenpreise ausbezahlt“, so der Experte weiter, was aus seiner Sicht „zusätzliche Anreize für eine netzdienliche Stromeinspeisung schaffen“ soll.

Abtrennung bei
Überproduktion

Doch wie sieht es beim Stromüberfluss an der Windkraftanlage Riedholz aus? Im Falle eines negativen Strompreises werde das Windrad abgetrennt, wofür es „keine Vergütung des Staates oder des Netzbetreibers“ gebe, wie Lechner betont: „Das ist uns im sonnigen Frühjahr, speziell an Wochenenden, bereits öfter passiert.“ Damit würde das Windrad speziell an Wochenenden, wenn das Gewerbe weniger Strom benötige, Platz für „die vielen kleineren privaten Photovoltaik-Einspeiser“ machen, was bei Lechner zur Schlussfolgerung führt: „Photovoltaik und Wind ergänzen sich hervorragend, weil der Wind auch nachts weht und mehr bei schlechtem Wetter.“ Ein Effekt, dessen Vorteile sich „in den kalten Jahreszeiten“ noch viel stärker zeigen würden.

Wobei der Carmen-Experte nicht leugnen will, dass in puncto Strompreisentwicklung und -vergütung trotz der bereits erfolgten „gesetzlichen Anpassungen“, mit denen „kostensenkend gegengesteuert“ worden sei, noch mit einer weiteren Überarbeitung für Solar- und Windanlagen zu rechnen ist.

Großspeichersysteme
rücken in den Fokus

Des Weiteren sei es nun die Herausforderung, die „zeitweilige Überproduktion nutzbar zu machen“, wie der Experte betont: „Gerade Großspeicheranlagen und flexible Verbraucher können das Auftreten von Stromüberschüssen und negativen Börsenpreisen entschärfen und einen Ausgleich schaffen.“ Derzeit entwickle sich insbesondere im Bereich der Großspeichersysteme „ein ausgesprochen dynamisches Wachstum, das zudem ohne staatliche Förderung auskommt“. Dadurch werde sich dann „nicht nur zunehmend die Versorgung für Verbraucher mit günstigem, erneuerbarem Strom erhöhen, sondern auch ein wesentlicher Beitrag zur Versorgungssicherheit und Netzstabilität geleistet“.

Geringe Mengen
an Mikroplastik

Stichwort Umweltbelastung: Gegenüber dem Mangfall-Boten führte Roland Zeddies auch eine Umweltbelastung durch das Windrad an, beispielsweise in Form von Mikroplastik, das durch die Rotoren entstehe und in der Landschaft verteilt werde, sowie einer Gefährdung von Vögeln durch die Anlage. „An jedem Kunststoff kann es zum Abrieb von Mikroplastik kommen, so auch an der Beschichtung der Rotorblätter von Windkraftanlagen“, stellt ein Carmen-Experte dazu gegenüber dem Mangfall-Boten klar. Die Mengen seien allerdings, im Vergleich zu anderen Quellen, „eher gering“, was auch Studien ergeben hätten: „Selbst wenn man den Zubau und den damit einhergehenden größeren Anlagenbestand in Zukunft in Betracht zieht, werden die Mikroplastikemissionen von Windkraftanlagen an den gesamten Mikroplastikemissionen einen eher geringen Anteil nehmen.“

Ähnliche Angaben kann der Verein, der von zwei Bayerischen Staatsministerien gefördert wird, zum Thema Vogelsterben machen. „Unstrittig ist, dass durch Windkraftanlagen Vögel zu Tode kommen“, stellt ein Carmen-Experte dazu klar. Wobei es seinen Aussagen nach aber „keinen Beleg“ dafür gibt, „dass Windkraftanlagen für einen großen Anteil gestorbener Vögel verantwortlich wären oder gar ganze Arten gefährden“.

Studie zu
Vogelsterben

Ein wissenschaftliches Forschungsprojekt, zu dem es allerdings „noch nicht endgültig belastbare Zwischenergebnisse“ gäbe, habe diesen Aspekt am Beispiel des Rotmilans untersucht. Das bisherige Ergebnis: Gut die Hälfte der in Deutschland aufgefundenen toten Rotmilane seien aufgrund „natürlicher Umstände“ gestorben, für die übrigen Todesfälle sei „der Menschen beziehungsweise menschliches Handeln verantwortlich“, wobei wiederum Windkraftanlage für weniger als zehn Prozent dieser Todesfälle verantwortlich seien. Der verhältnismäßig größere Teil entfalle auf „andere menschliche Ursache wie Straßen- und Schienenverkehr, Vergiftungen oder Wilderei“.

Vogelschutz
zur Mähzeit

Und wie werden Vögel an der Windkraftanlage Riedholz geschützt? Dazu hatte Lechner bereits vor Inbetriebnahme der Anlage Stellung genommen. So hatten laut Lechner die Planungen der Anlage mit einem „artenschutzspezifischen Gutachten“ begonnen, im Rahmen dessen Fachgutachter an verschiedenen Stellen über mehrere Monate hinweg das Verhalten von Vögeln in diesem Bereich beobachtet hatten. Ergebnis: Nur dem Milan könnte die Anlage zum Verhängnis werden, und das auch nur zu Zeiten, in denen gemäht wird. „Da haben wir dann die Verpflichtung, die Anlage abzuschalten“, schilderte Geschäftsführer Florian Lechner bereits damals das Vorgehen.

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