Bad Aibling – Plötzlich ging nichts mehr: Ab 8 Uhr gelangte kein Mensch mehr auf die RO19 bei Ellmosen in Richtung Jarezöd. Aus der Gegenrichtung war die RO29 schon ab Ortseingang Jarezöd voll gesperrt. Auf einer Strecke von drei Kilometern hatte die Polizei vorgesorgt: Weder Fahrzeuge noch Radler oder Fußgänger sollten in den Suchbereich gelangen. Es sei denn, sie konnten sich als Anwohner von Thann, Bichl oder Dred ausweisen.
Großräumige
Sperrung des Areals
„Der Bereich ist wegen eines Tötungsdeliktes gesperrt“, informiert die Polizei die Passanten. Einem Pkw-Fahrer stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Ein Kapitalverbrechen – ausgerechnet hier, in einem ländlichen, friedlichen Bereich? Doch dann erinnerte er sich: „Ja, davon habe ich gelesen.“
Die jungen Polizisten gehören zur Dachauer Ausbildungs-Hundertschaft der Bereitschaftspolizei. Heute hat ihr Tag schon um 5.30 Uhr begonnen. Und die Polizei schafft schon im Vorfeld Transparenz. „Mit der Information über den Grund der Sperrung machen wir den Menschen klar, dass das hier keine Schikane ist. Auch keine Übung, sondern dass es um einen Menschen geht, der auf gewaltsame Weise sein Leben verloren hat“, erklärt einer der jungen Polizisten.
„Noch sprechen wir von einem mutmaßlichen Tötungsdelikt“, betont eine Sprecherin der Polizeiinspektion Oberbayern-Süd. Am 15. Juni waren im Wald bei Thann die sterblichen Überreste von Eman E. (34) aus Bad Aibling gefunden worden. Die forensischen Untersuchungen erbrachten die Gewissheit, dass die Frau Opfer eines Gewaltverbrechens wurde. Der Ehemann der Toten, ein 43 Jahre alter ägyptischer Staatsangehöriger, wurde verhaftet. Gegen ihn besteht dringender Tatverdacht. Er befindet sich schon seit dem 17. Juni in Untersuchungshaft. Bisher habe er sich nicht geäußert, so die Polizei.
Schon nach dem Leichenfund am Sonntag, 15. Juni, hatte die Kriminalpolizei vor Ort Spuren gesichert. „Nach deren Auswertung wurde aus ermittlungstaktischen Gründen entschieden, die Spurensuche auszuweiten“, informiert die Polizeisprecherin. Unter Leitung der Kripo Rosenheim durchkämmte nun die Bereitschaftspolizei den Wald. Ein Waldstück nach dem anderen. Von der Ellmosener Kreuzung bis nach Thann.
Jeder Millimeter
kommt unter die Lupe
In einer Menschenkette eng aneinandergereiht gehen die Einsatzkräfte voran. Um mögliche Spuren nicht zu zerstören, setzen sie behutsam und nur auf Kommando einen Fuß vor den anderen. Ihr Fokus liegt auf Waldboden, Büschen, Bäumen, Totholzhaufen. Mit Stöcken prüfen sie das Unterholz. „Es wird millimetergenau geprüft, ob es Spuren gibt“, so die Polizei. Reifen- oder Schuhabdrücke. Verdächtige Trampelpfade im kniehohen Gras. Faserspuren an Baumrinden oder Ästen. Zigarettenstummel am Boden. Ein Taschentuch. Ein Folienbeutel. Auch Müllablagerungen werden begutachtet. Alles wird unter dem Aspekt betrachtet, ob es sich um Müll oder möglicherweise einen relevanten Spurenträger handelt. Gemeinsam mit den Experten der Kripo Rosenheim wird entschieden, welche Funde gesichert und später ausgewertet werden. „Bei der großräumigen Absuche des Thanner Waldes geht es um die Frage, ob der Fundort der Ablageort oder der Tatort ist“, erläutert die Polizeisprecherin. Auch die Tatwaffe wurde noch nicht gefunden. Und so wird nach allen potenziellen Beweismitteln gesucht, die einen Hinweis darauf geben könnten, wie Eman E. ums Leben kam, die dabei helfen, den Tathergang zu rekonstruieren.
Bei extremer Hitze durchkämmen die Polizisten den Wald. In voller Montur – ihrer schwarzen Einsatzkleidung. Die Hosenbeine haben sie direkt an den Stiefeln abgeklebt, um sich vor Zecken zu schützen. Andere Kollegen stehen in der prallen Sonne an den Zufahrten zum Suchbereich. Es ist ein herausfordernder Einsatz. Für den Nachmittag wurden schwere Unwetter angekündigt. Gegen 14.30 Uhr schlägt ein gewaltiger Blitz ganz in der Nähe des Suchgebiets ein. Dann setzt ein kurzer, heftiger Regen ein. Doch Wetter, unzugängliche Waldbereiche oder jedwede unwegsamen Umstände spielen keine Rolle. „Ein Mensch ist gewaltsam ums Leben gekommen“, betont die Polizeisprecherin. Es werde alles dafür getan, das Verbrechen aufzuklären. Gegen 15 Uhr ist der Einsatz regulär beendet.
Mögliches Täterwissen
bleibt unter Verschluss
Ob tatsächlich Beweisstücke gefunden wurden, die bei der Aufklärung des mutmaßlichen Tötungsverbrechens helfen können, wird die Öffentlichkeit nicht erfahren. Aus ermittlungstaktischen Gründen bleiben diese Informationen geheim. Der mutmaßliche Täter hat sich noch nicht geäußert. „Alles, was er jetzt an sogenanntem Täterwissen aus öffentlichen Quellen erfahren könnte, würde die Ermittlungen zunichtemachen“, erklärt die Polizeisprecherin. Und das könnte im schlimmsten Fall dazu führen, dass ein Täter nicht verurteilt werden kann.