Protest und Polizeieinsatz

von Redaktion

Junger Mann steht nach AfD-Demos in Wasserburg und Grassau vor Gericht

Wasserburg/Grassau/Rosenheim – Vor dem Amtsgericht Rosenheim muss sich aktuell ein 22-jähriger Bad Aiblinger verantworten, dem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen zur Last gelegt wird. Der junge Mann soll sich im Juli 2024 bei einer Demo gegen eine AfD-Kundgebung in Wasserburg sowie im November desselben Jahres bei einer Veranstaltung der Partei in Grassau wiederholt polizeilichen Anordnungen widersetzt haben. Ein Urteil wurde noch nicht gesprochen, weil sich die Beweisaufnahme aufgrund intensiver Zeugenbefragung am ersten Verhandlungstag als zeitaufwendiger als erwartet herausgestellt hat. Das Verfahren wird fortgesetzt.

Zwei Demos,
zwei Vorfälle

Christopher Street Day (CSD), AfD-Kundgebung, Protestaktionen gegen die AfD-Präsenz: Wasserburg hat am 6. Juli 2024 einen Großdemo-Tag erlebt. Laut Anklage war der Beschuldigte auch vor Ort und Teil einer rund achtköpfigen Antifa-Gruppe, die zur AfD-Kundgebung vordringen habe wollen. Dort fand zeitgleich eine Gegenkundgebung der Jusos Rosenheim statt, für die eine Versammlung ordnungsgemäß angemeldet war. Um die Lager voneinander zu trennen, hatte die Polizei eine Menschenkette gebildet. Der Angeklagte soll trotz Androhung eines Schlagstockeinsatzes mehrfach versucht haben, mit zügigem Laufschritt diese Sperre zu durchbrechen. Deshalb sei er laut Aussage der Polizeibeamten zweimal durch den „Pieks“ mit dem Schlagstock zurückgedrängt worden. Beim dritten Versuch habe man sich zur Festnahme entschieden.

Erklärung
über sechs Seiten

Viel Kommunikation habe es bei der dynamischen Lage nicht gegeben, sagte einer der am Einsatz beteiligten Polizisten vor Gericht. Der Angeklagte sei polizeibekannt. Er sei von zwei Beamten mit einfacher körperlicher Gewalt zu Boden gebracht worden. Dabei habe er keinen Widerstand mehr geleistet.

Ein weiterer Vorfall ereignete sich am 30. November 2024 in Grassau. Der Angeklagte soll versucht haben, sich zu einem Gasthaus, in dem ein AfD-Vortrag stattfand, Zugang zu verschaffen. Als Polizeikräfte ihn durch leichtes Schieben und Drücken zurückzuhalten versuchten, habe er sich widersetzt. Laut der am Einsatz beteiligten Kräfte wurde er schließlich zu Boden gebracht, fixiert und an den Händen gefesselt. Dagegen habe er sich gesperrt, indem er die Arme vor dem Körper verschränkt habe. Anschließend habe er sich regungslos gestellt und man habe ihn zum Einsatzwagen getragen. In einer sechsseitigen schriftlichen Erklärung nahm der Angeklagte Stellung zu den Vorfällen. Er schilderte, dass es sich bei seinen Handlungen um einen friedlichen Protest gegen die AfD gehandelt habe. Er betonte, dass er sich nicht gegen die Polizei als Institution gerichtet habe, sondern gegen rechte Ideologien. Der Polizeieinsatz gegen ihn sei unverhältnismäßig gewesen, erklärte der Aiblinger. Die Kommunikation der Einsatzkräfte habe gefehlt, Uniformierte seien „ohne Vorwarnung auf uns zugelaufen und hätten mit Schlagstöcken auf die Gruppe eingeschlagen.“

Beim Wasserburger Vorfall sei er von mehreren Polizisten gepackt, zu Boden gebracht und dabei verletzt worden. „Die Polizisten drückten meinen Kopf auf heiße Steine und knieten auf meinem Hals. Ich bekam keine Luft mehr“, so der Angeklagte.

Auch die Umstände seiner Festnahme in Grassau beschreibt er vor Gericht drastisch. Beamte seien ohne Vorankündigung auf ihn zugekommen, hätten seinen Kopf gegen eine Wand geschlagen. Nach eigener Aussage habe er kurzzeitig das Bewusstsein verloren. Eine Polizistin habe dann auf seinem Kopf gekniet, während versucht worden sei, seine Arme auf den Rücken zu drehen. Dabei habe sich seine brennende Zigarette in seinen Hals gedrückt. Laut dem kommissarischen Leiter der Polizeiinspektion Grassau waren keine äußerlichen Verletzungen beim Angeklagten sichtbar. Es habe auch eine ärztliche Untersuchung gegeben, die keine weiteren erforderlichen medizinischen Maßnahmen angezeigt habe.

Verteidigung stellt Einsatz infrage

Die Verteidigung versuchte in einer sehr eingehenden Zeugenbefragung das Verhalten der Polizeikräfte näher zu beleuchten und forderte eine genaue Prüfung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bei den beiden Einsätzen. Dazu werden noch zwei, bereits zum ersten Verhandlungstag geladene, Polizeibeamte gehört, die aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit nicht mehr befragt werden konnten. Die Staatsanwaltschaft hält an der Darstellung der Beamten fest und sieht die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch die Polizei als gerechtfertigt an. Das Verfahren wird fortgesetzt.

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