Glücksferkel und Spezialbreze

von Redaktion

Aus dem OVB-Archiv – Franz Josef Strauß‘ Geburtstage durch die Jahrzehnte

Rott – „In Rott am Inn, das ihm durch seine Heirat zur zweiten Heimat geworden ist, erhielt CSU Landesvorsitzender Franz Josef Strauß gestern zu seinem 50. Geburtstag als Geschenk der oberbayerischen ‚CSU-Arbeitsgemeinschaft für Landwirtschaft‘ ein Ferkel überreicht“, berichtet das Oberbayerische Volksblatt (OVB) in der Ausgabe vom 6. September 1965. „Herr Strauß, das Viecherl ist Ihnen fürs Streicheln ebenso dankbar wie die deutsche Landwirtschaft“, wird der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Franz Hilger, bei der Geschenkübergabe zitiert.

TV-Team aus Großbritannien

„In Rott, wo er sich stets einer großen und sehr CSU-treuen Zuhörerschaft erfreut, würzte Franz Josef Strauß auch dieses Mal seine Rede wieder mit zahlreichen sehr kernigen Formulierungen – insbesondere bei seinen Angriffen auf die SPD.“ Da ein Fernsehteam der BBC anwesend war, habe er sich aber auch über „komischen Töne eines Teils der britischen Presse“ beklagt.

„Nach der Rede von Strauß sprachen der Rotter CSU-Ortsvorsitzende Winkler und der Wasserburger CSU-Kreisvorsitzende Karl Neuburger dem CSU-Landesvorsitzenden ihre herzlichsten Glückwünsche zum 50. Geburtstag aus. Neuburger dankte dem CSU-Landesvorsitzenden ‚für alles, was Sie, Herr Minister, für Bayern, für Deutschland, für Europa und für die ganze Welt geleistet haben‘“, schließt der Bericht.

In diesem Jahr jährte sich nun der Geburtstag von Franz Josef Strauß schon zum 110. Mal. Er war von 1961 bis 1988 Vorsitzender der CSU sowie von 1978 bis 1988 Ministerpräsident von Bayern. Außerdem Bundesminister für besondere Aufgaben (1953 bis 1955), für Atomfragen (1955 bis 1956) und der Verteidigung (1956 bis 1962). 2023 hatte es zu seinem 35. Todestag einen großen Festakt in Rott gegeben. Die Erinnerungen an Strauß sind in der Region noch immer wach.

„Am 4. Juni 1957 war rund um Rott alles auf den Beinen, denn der ortsbekannte Verteidigungsminister Franz Josef heiratete seine Marianne, geborene Zwicknagl“, erinnerte sich Karlheinz Rieger in einem Beitrag zu Strauß Todestag, „Obwohl Strauß als Minister und ständig im politischen Geschäft präsent war, ließ er es sich nicht nehmen, den unmittelbaren Kontakt zu den Menschen in und um Rott am Inn zu pflegen. Unvermittelt tauchte er mal hier, mal da an einem Stammtisch auf oder erkundete mit seinem Rennrad, die Hosenklammer als Kettenschutz durfte nicht fehlen, auch ohne Sicherheitspersonal im Schlepptau die Gegend.“

Er kümmerte sich auch um Anliegen der Menschen in der Region, etwa den Unmut über ein mögliches Aus der Bahnstrecke zwischen Mühldorf am Inn und Rosenheim. Seinen 60. Geburtstag feierte Strauß dann allerdings andernorts. „Der Jubilar nannte es ‚Familienfeier‘, und 400 seiner Getreuesten waren in die Tenne der ‚Kreut-Alm‘ am Kochelsee gekommen. Die erste der voraussichtlich sieben Feiern zum 60. Geburtstag von Franz Josef Strauß“, heißt es in einem Bericht in der Zeitung vom 6. September 1975. „Der CDU-Vorsitzende Kohl betonte in einer Würdigung, die Zusammenarbeit und der Zusammenhalt zwischen CDU und CSU hätten sich bewährt und ‚schaffen die entscheidende Voraussetzung für die Verwirklichung unserer gemeinsamen Politik in der Regierungsverantwortung von CDU/CSU nach dem Sieg in den nächsten Bundestagswahlen‘“.

Nur ein Jahr später sollte Strauß ja dann in seiner „Wienerwald-Rede“ wettern: „Er [Helmut Kohl] ist total unfähig. Ihm fehlen die charakterlichen, die geistigen und die politischen Voraussetzungen. Ihm fehlt alles dafür [fürs Kanzleramt].“ Beide sollten zeitlebens ein wechselhaftes Verhältnis zueinander haben.

Drei Jahre vor seinem Tod feierte Strauß dann noch einmal einen runden Geburtstag. „Erst heute, an seinem 70. Geburtstag, ist die eigentliche große Gratulationscour für Ministerpräsident Franz Josef Strauß in der Münchner Residenz (wo sonst für den ungekrönten König von Bayern?)“, setzt ein Bericht von Fritz Woock am 6. September 1985 an, „Aber schon in den Vortagen lief das Glückwunschkarussell kräftig an. Gestern verlieh Landtagspräsident Franz Heubl dem weißblauen Regierungschef die goldene Landtagsmedaille, anschließend überreichte ihm Altbundespräsident Karl Carstens im Prinz-Carl-Palais das neue Franz-Josef-Strauß-Buch.“

„Am Nachmittag fand in Rott am Inn ein Pontifikalgottesdienst statt“, erfahren wir aus einem weiteren Bericht an jenem Tag, „Während des Eingangsgebetes des Erzbischofs von München und Freising, Friedrich Kardinal Wetter, kam es zu einem kleinen Zwischenfall. Es lösten sich von einem Seitenbalkon Teile eines Ziergitters und stürzten fünf Meter von der Bank entfernt, in der die Familie Strauß kniete, in das Kirchenschiff. Es wurde niemand verletzt.

Gebet nach
Schrecken fortgesetzt

Nach einer Schreckminute konnte der Kardinal sein Gebet fortsetzen.“ Das nichts Schlimmeres passierte, war einem Zufall zu verdanken. „Genau an dieser Stelle waren noch kurz zuvor einige Pressefotografen postiert, die mit dem Beginn des Gottesdienstes die Kirche verlassen mussten, da während des Gottesdienstes verständlicherweise keine Aufnahmen gemacht werden durften“, ergänzt ein Beitrag im Lokalteil. Auch eine Vermutung zum Auslöser des Unfalls hatte die Zeitung: „Offenbar hatte sich jemand zu sehr an das feingliedrig gestaltete Barockgitter angelehnt.“

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