Schuhmacher Florian Koppitz, 27, steht in der neuen Werkstatt, in der Geheim-Werkstatt in einem Weiler irgendwo bei Grafing, Kreis Ebersberg. Es gibt hier weder eine Klingel, gescheiten Handyempfang noch WLAN. Früher lebten hier Kühe. Es war ein Stall. Heute arbeitet die traditionsreiche Schuhmacherfamilie Koppitz hier an ihren neuesten Modell, ihrem neuesten Schuh-Clou. Keiner soll sie dabei stören. Sie haben Großes vor.
Florian Koppitz deutet auf die gebrauchten, teilweise jahrzehntealten Maschinen, die sie in ganz Europa zusammengekauft und hierher geschafft haben. Der Schuhmacher sagt: „Der Hinterkappenformer fehlt noch.“ Kein Problem, der kommt bald. Alleine die Mordstrumm-Maschinen, die sie schon haben, besitzen erstaunliche Namen, vor allem für Laien. Da will man eigentlich auf der Stelle Schuhmacher-Geselle oder zumindest Gehilfe bei den Koppitz’ werden. Die Geräte heißen Seitentäcks-Zwickmaschine, hydraulische Spitzenzwickmaschine, Schärfmaschine, hydraulische Schwenkarmstanze, Zick-zack-Nähmaschine oder sogar Fersentäcks- und Seitenklebezwickmaschine. Einfach herrlich.
Aber was passiert mit diesen Maschinen? Die Antwort ist einfach: Hier passiert ein Haferlschuh. Sein Name: der „Gauplattler“. Preis: 150 Euro, ab Schuhgröße 47 zehn Euro mehr. Einige Dutzend „Gauplattler“ haben sie schon produziert, auch ohne den Hinterkappenformer. Sie stehen in Braun und in Schwarz in großen Regalen neben den Maschinen. 300 Paar wollen sie schon bald jedes Jahr herstellen. „Wenn der Bayer an Schuhe denkt, dann denkt er an Haferlschuhe“, sagt Florian Koppitz. „Selten wird eine Gegend mit dem Schuh so verbunden wie der Haferlschuh mit Bayern.“ So ist es wohl. Das Bier ist das Getränk des Bayern, die Zugspitze sein Berg und der Haferlschuh seine schönste Fußbekleidung.
Florian Koppitz nimmt einen „Gauplattler“ in die Hand: „Das ist ein richtig leichter Haferlschuh“, sagt er. Neben ihm steht sein Bruder Michael, 22, auch ein Schuhmacher. Der sagt: „Mit dem Gauplattler host a super Fußklima.“ Noch ein Schritt weiter steht Vater Walter Koppitz, 53. Der Schuhmachermeister sagt: „Das ist ein richtig geschmeidiger Schuh.“ Ein alter Schuhmachermeister aus Valley im Kreis Miesbach hat ihnen beigebracht, wie man mit den Maschinen umgeht. Denn mit diesen alten Geräten zu arbeiten, das ist wie eine neue Sportart zu lernen. Es ist ganz anders, ungewohnt, so erzählen es die drei Schuhmacher. Aber das ist ja gerade die Herausforderung. Altes Gerät, altes Handwerk, voller Einsatz.
Was hier im Kreis Ebersberg passiert, ist Familiensache, Männersache, Ehrensache. Denn es ist so: Die Familie Koppitz betreibt die Schuhmacherei in der fünften Generation, sie haben in Grafing ein Schuhgeschäft, eine Filiale und dazu eine Werkstatt – aber was sie bisher nicht hatten: einen eigenen Haferlschuh als Serienprodukt. Der „Gauplattler“ passt wie die Faust aufs Auge und die Sohle auf den Schuh. „Tracht im Allgemeinen ist ein Riesenboom“, sagt Florian Koppitz. So sind sie erst auf die Idee mit dem Haferlschuh gekommen. „Die Leute wollen wieder wissen, wo die Schuhe und ihre Kleidung herkommen.“ Das war nicht immer so. Früher haben vielleicht die Mitglieder des Trachtenvereins einen Haferlschuh angezogen, bei vielen anderen war dieser eine Schuh verpönt – er war der Inbegriff bayerisch-biederer Altbackenheit. Heute ist das anders, ganz anders. Junge Bayern tragen wieder Haferlschuhe – und das als modisches Statement. Tracht ist wieder in. Mit Heimat lässt sich heutzutage gutes Geld verdienen. Das spielt dieser schuhnarrischen Familie natürlich in die Karten.
„Vor 15 Jahren war die Wegwerfgesellschaft“, sagt Papa Walter Koppitz. Da gab es Tage, da war in der Werkstatt kaum was los, da brachte keiner seine Schuhe zum Reparieren vorbei, geschweige denn kamen Kunden, um sich Schuhe maßschneidern zu lassen. Das ist längst vorbei. Florian Koppitz hat sich auf Maßanfertigungen mit exklusiven Ledersorten spezialisert. Er hat schon Schuhe aus Fischleder, aus Juchtenleder, Rindboxleder oder Straußenbeinleder gefertigt. Ein einzelnes Paar kann 1000 Euro und mehr kosten. Es gibt Kunden, die kommen extra aus Hamburg angefahren, um sich in Grafing Schuhe machen zu lassen. Der junge Schuhmacher ist schon monatelang im Voraus ausgebucht, 45 Paar schafft er im Jahr.
Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt, was der Kunde wünscht, das bekommt er. Vor einiger Zeit war ein Bräutigam aus dem Allgäu bei Florian Koppitz, er hatte den Hochzeitsschuh seines Opas dabei, eine elegante Stiefelette, mit der der Opa vor über einem halben Jahrhundert vor den Traualtar trat. Florian Koppitz hat die Stiefelette kurzerhand nachgebaut.
Einmal kam eine Frau, die unbedingt die gleichen, edlen Pumps wie ihre Oma tragen wollte. Das Problem: Die Oma trug die Schuhe als junge Frau – und es war Schmuck in ihnen eingearbeitet. Auch dafür fand die Schuhmacher-Familie eine Lösung, zusammen mit einem Goldschmied ließen sie die Pumps der Oma wiederauferstehen.
Schuhmachermeister Walter Koppitz sagt: „Die Menschen besinnen sich auf die guten Sachen zurück, deswegen haben wir so großen Erfolg.“ In ihren beiden Grafinger Schuhläden haben sie schon die ersten „Gauplattler“ verkauft, die Nachfrage ist groß. Sie haben extra Lederabsätze verbaut. „Damit man es auch richtig hört, wenn man aufstampft“, sagt Michael Koppitz.
Dieser Schuh ist elegant, komplex und er will Aufmerksamkeit. Ganz genau wie der Bayer an sich, der ihn dann trägt, wenn man das mal so pauschal sagen darf. Das passt ja prima.