Suchttherapie für Paare

„Ein Teufelskreis aus Streit und Alkohol“

von Redaktion

München – Eine Beziehung mit einem alkoholkranken Menschen zu führen, ist schwierig. Die Caritas bietet ein Therapieangebot für Paare an. Wie die Partner davon profitieren, weiß die Sozialpädagogin und Suchttherapeutin Inga Hart.

-Wie viele Menschen leben mit einem alkoholkranken Partner?

65 Prozent der Patienten, die sich in einer ambulanten Entwöhnungsbehandlung befinden, sind in einer festen Partnerschaft. In Deutschland wird die Zahl der Alkoholkranken auf 1,8 Millionen geschätzt.

-Woran merkt man, dass der Partner alkoholabhängig ist?

Das ist ein schleichender Prozess. Im Durchschnitt dauert es zehn bis 15 Jahre, bis ein Alkoholkranker in Behandlung kommt. Man kann die Sucht auch nicht an der Menge oder der Häufigkeit des Alkoholkonsums festmachen, sondern an den Konsequenzen. Auch wenn jemand „nur“ jedes Wochenende betrunken ist oder jeden Tag „nur“ zwei Bier zum Runterkommen braucht, kann er suchtgefährdet oder bereits abhängig sein. Bei einer Sucht bemerkt man zunächst, dass der Betroffene unzuverlässiger wird, er seine Hobbys und Interessen vernachlässigt. Mit der Zeit funktionieren Dinge nicht mehr. Oft verlieren die Alkoholkranken irgendwann ihren Führerschein, ihre Arbeitsfähigkeit ist beeinträchtigt. Ist die Sucht fortgeschritten, kommen finanzielle Sorgen hinzu. Wir haben Patienten, die haben 400 Euro im Monat vertrunken. Das fehlt in der Familienkasse.

-Unter welchen Nöten leiden die Partner?

Anfangs übernehmen die Partner oft die Verantwortung und versuchen alles zu kompensieren, was schief läuft. Sie rufen beispielsweise den Arbeitgeber an und entschuldigen den Alkoholkranken ohne den wahren Grund zu sagen. Sie holen die Kinder ab, wenn der Partner kurzfristig absagt. Kurz: Sie versuchen den Partner zu unterstützen. Doch je mehr Bedeutung der Alkohol gewinnt, desto mehr stehen die Partner unter Stress. Der alkoholabhängige Partner wird unberechenbar, sie fühlen sich für alles verantwortlich, vermeiden Konflikte aus Angst, dass wieder zu Alkohol gegriffen wird. Oft schämen sie sich für das Verhalten ihres Partners. Und trotzdem versuchen sie meist sehr lange, nach außen das Bild einer intakten Beziehung aufrecht zu erhalten.

-Kann das auch zu gesundheitlichen Problemen führen?

Natürlich. Es ist eine enorme psychische Belastung. Viele Angehörige entwickeln Schlafstörungen, bis hin zu Depressionen. Nehmen sie Psychopharmaka dagegen, kann das in eine Medikamentenabhängigkeit führen. Oft leiden die Angehörigen auch an physischen Beschwerden wie Magenschmerzen.

-Was bedeutet das alles für die Beziehung?

Es entwickelt sich oft ein Teufelskreis aus Streit und Alkoholkonsum, die positiven Gefühle gegenüber des Partners werden weniger und das Risiko für eine Trennung steigt.

-Wann ist der richtige Zeitpunkt, Hilfe zu holen?

Wann der Alkoholkranke seine Sucht in Angriff nimmt, ist sehr unterschiedlich. Für die Partner gilt: Wenn sie merken, dass ihre Gedanken und Gefühle sich immer mehr um die Alkoholsucht des Partners drehen und sie sich fragen, was sie noch gegen die Sucht tun können, dann wäre ein Beratungsgespräch bei einer Suchtberatungsstelle eine gute Unterstützung.

-Wie geht die Caritas bei ihrem Therapieangebot für Paare vor?

Es ist ein Zusatzangebot zur regulären Suchttherapie. Der Betroffene macht eine ambulante Entwöhnungstherapie, bekommt professionelle Hilfe, um abstinent zu bleiben. Parallel läuft eine Therapie mit dem Partner. Dazu zählt einmal monatlich eine Gruppensitzung mit anderen betroffenen Paaren und einmal im Monat ein Paargespräch.

-Was ist das Ziel des Angebots?

Auch wenn der Betroffene aufhört zu trinken, lösen sich viele Probleme nicht in Luft auf. Die Auswirkungen der Sucht müssen aufgearbeitet werden. Das gegenseitige Vertrauen der Partner muss langsam wieder wachsen. Wichtig ist, auch auf die Bedürfnisse des Partners einzugehen. Wenn das Paar lernt, konstruktiv mit Problemen umzugehen und Konflikte gemeinsam zu lösen, sinkt die Gefahr eines Rückfalls. Und das ist sicher der größte Wunsch beider Partner.

Interview: Aglaja Adam

Ein Infoabend

zu dem Thema „Alkohol in der Beziehung: Hilfe für Paare“ findet am Dienstag, 14. November, um 18 Uhr bei der Caritas-Fachambulanz in der Arnulfstraße 83 in München statt. Angehörige von Alkoholkranken können auch alleine kommen. Anmeldung unter 089 / 7 24 49 93 50.

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